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Küstermann




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Kenosis - Selbstentäußerung - Arbeit - 3

Das Glück und das Unglück

Taugt der Mensch zum Glücklichsein? Für die Frage, was dem Glück im Wege stehe, gibt es zwei Hauptstränge der möglichen Antworten. Ein Hauptstrang dreht sich um die Fragen des Leidens: Dass die Menschen Krankheit und Schmerzen erdulden müssen, gequält und getötet werden, sei ihr Unglück; dass Menschen so hilflos und ausgeliefert sind an Schicksalsschläge, Krankheiten, Naturkatastrophen und vielleicht auch an die Turbulenzen der eigenen Gefühle, von Eifersucht über Liebeskummer bis zum Heimweh und Fernweh und jedwedem anderen -Weh, dies sei das eigentliche Unglück des Menschen. In gewisser Weise kann sogar die Trennung von der eigenen Lieblingsbeschäftigung als Leiden bezeichnet werden. Arbeit als Trennung von dem, was man gerne tun würde, ist dann ein Fluch.

Das Glück bestünde darin, immer im Genuss, in der Lieblingsbeschäftigung, in den Annehmlichkeiten des Lebens zu bleiben. Alles andere gehört mehr oder weniger zum Unglück. Also ist das Leiden des Menschen Feind. Ein Mensch der nie leidet wäre demnach ein glücklicher Mensch?

Der andere Hauptstrang ist weniger geprägt vom Mitleid und Leidensüberdruss, sondern eher von der Moral und dreht sich um die Fragen der Bosheit: Der Mensch schafft Unglück durch seine Gewalt, seine Brutalität, seine Heimtücke und Verschlagenheit. Mord und Totschlag, Krieg und Zerstörung seien die schlimmsten Kennzeichen des Weges der Menschheit durch die Geschichte. Egoismus und Tyrannei, Unterdrückung und Ausbeutung, Raub und Betrug, seien die schlimmsten Geiseln und mit diesen, seinen eigenen Taten, mache der Mensch sich und seinesgleichen und allen anderen das Leben zur Hölle. Das sei das Unglück des Menschen.

Das Leiden oder das Böse? Wovon müsste der Mensch dringender erlöst werden, um endlich glücklich zu sein? Und welche Rolle spielt bei beiden die Arbeit?

Das Leiden von Magd und Knecht

Als Knecht oder Magd erscheint der Mensch im Leiden, ausgeliefert und fremd bestimmt. Es kann nichts dafür (oder nur wenig) das Menschlein, als Magd oder Knecht. Es ist ein Opfer, ein Passives und kann nur erdulden, also leiden.

Das Böse von Herrin und Herr

Als Herr oder Herrin erscheint der Mensch im Bösen. Aggression ausübend, überheblich und stolz, die andere Kreatur missachtend, missbrauchend, unterjochend und tötend. "Dein Leben gehört dir nicht, sondern mir", so scheinen Herrin oder Herr allen andern zu sagen. "Mein Wille geschehe, egal was du oder was sonst jemand will", das scheint ein Kernsatz des Bösen im Menschen. Ein Mensch ohne Macht, ohne Herrschaft, ohne Übergriff auf die anderen, wäre demnach ein guter Mensch?

Die Arbeit

Der Knecht und die Magd arbeiten, knien sich rein in die Mühsal der Welt. Arbeit ist erniedrigend, demütigend. Erdulden und Aufsichnehmen was an Leiden im Dasein liegt, aber nicht passiv, jammernd, kraftlos, sondern voller Anstrengung und Tätigkeit. In der Arbeit wird die Welt verändert. Da wird geschuftet und gemacht. Arbeit heißt das Unbequeme, die Mühsal und das Leiden des Daseins auf sich zu nehmen. Sich sowohl unterwerfen als auch widerstehen, dem was ich nicht mag, was mir eigentlich nicht passt. Nicht zu fliehen vor dem Leiden, aber es auch nicht tatenlos hinnehmen, das heißt arbeiten. Arbeit hat viel gemein mit dem Leiden, aber auch viel mit dem Kampfe dagegen, und ist dies beides zugleich.

Herrin und Herr arbeiten nicht! Sie lassen arbeiten. Sie genießen die Früchte der Arbeit anderer und nehmen für sich die leidensfreien Teile des Lebens in Anspruch. Haben sie das bessere Teil erwischt? Sind die faulen Herrschaften die schlaueren, glücklicheren Menschen? Oder versäumen sie etwas wichtiges? Verfehlen sie einen wesentlichen Teil ihres Menschseins und bleiben unvollständige Riesenbabys, Homo nicht-so-ganz-sapiens, unerfüllte Irrläufer, ihren Lebenssinn verpassende Teilmenschen?

In der Arbeit kritisiert der arbeitende Mensch die Welt, sie soll nicht bleiben wie sie ist, sondern geändert werden. In der Arbeit kritisiert aber auch die Welt den arbeitenden Menschen: "Wenn du den Spaten so ungeschickt hältst, kriegst du die Erdscholle nicht gewendet", sagen Spaten und Erde der tappichen Gärtnerin. "Wenn du die Axt nicht gezielt führst, lassen wir sie daneben gehen", sagen Axt und Holz dem ungeübten Holzhacker. "Und Schwielen an den Händen kriegst du außerdem". Und beide Seiten lernen aneinander ihre jeweilige Kritik weiter zu entwickeln: Der arbeitende Mensch lernt die Welt und sein Werkzeug und sich selbst kennen. Die Welt und das Werkzeug verändern sich und werden zum Abbild der Erfahrung, die das arbeitende Menschlein an ihnen gesammelt. Die besten Fähigkeiten des Menschleins entstehen in der dauernden Übung, also in der Auseinandersetzung mit der Welt. Das ist Arbeit. So entsteht der Mensch. Ist Arbeit die Lösung? Für das Leiden? Für das Böse? Ist Arbeit der Weg zum Glück?

frei nach Hegels Dialektik von Herr und Knecht.
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