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Alternative Interprationen über die apotropäischen Aspekte hinaus. / Teil 5 /  Dieser Artikel wurde veröffentlicht am 28Nov2020

Der ägyptische Gott Bes

 › Es gibt verschiedene Interpretationen zu Bes  › Bes als Aufpasser für den Horus-Knaben  › Bes als Schminktöpfchen  › Die vielen Aufgaben des Bes  › Alles nur apotropäisch?

Der ägyptische Gott Bes hieß in seinen frühen Formen Aha (oder sogar Iah?). Da war er noch ein schamanenartiger Schutzdämon mit der Mähne eines Löwen oder Pavian. Falls es die eines Pavians ist, schafft das eine Verbindung zu den Mondgottheiten. Und in beiden Händen hielt Aha Schlangen oder Messer. So war sein Abbild eingeritzt auf den Zaubermessern aus Nilpferdzahn zur Abwehr böser Kräfte.

Später ist er nur noch ein harmloser kleiner Hilfsgott vorzugsweise abgebildet auf gewöhnlichen Haushalts­gegenständen und auf kleinen Amuletten. Wenn eine Gottheit anthropomorph dargestellt wird, erzählen ihre Bilder nicht nur etwas über die Gottesvorstellung, sondern auch über die Menschen, in deren Gestalt sie erscheinen und über die Sozialformen ihrer Gesellschaft. Ein Bild zum Beispiel des große Osiris, thronend im Totenreich, zeigt zugleich, wie menschliche Herrscher im Amtsornat auf ihren jeweiligen Thronen sitzen. Ein Bild von Isis mit ihrem Kind ist auch das Bild einer vornehmen Ägypterin mit ihrem Nachwuchs. Welche Menschen sehen wir in den Bildern des kleinen Hilfsgottes Bes?

Bes ist anders als die Götter. Für seine ausländische Herkunft spricht die frontale Darstellung. Die hohen Göttinnen und Götter der Ägypter zeigen sich schön von der Seite in edler Gestalt und langbeinig daher schreitend. Bes dagegen sieht aus wie ein hässlicher Zwerg mit faltigen Augenlidern und einem zotteligen Bart. Seine Ohren sind angeknickt, als trüge er eine Corona-Maske mit zu starken Gummizügen. Auf vielen Reliefs streckt er die Zunge heraus. Er hopst oder stampft und schwingt ein Messer oder einen anderen Gegenstand über seinem Kopf. Er macht Musik auf der Harfe oder auf einem Tamburin. Auffällig bei vielen Bes-Darstellungen sind seine kurzen Beine und manchmal sein betontes Geschlechtsteil. Bei anderen Darstellungen ersetzt eine Schlange oder der Schwanz eines Löwenfelles das lange Glied. Seine Bekleidung mit einem zu klein geratenen Löwenfell wirkt wie Kinderkram, eigentlich ist er nackt. Bes trägt eine Federkrone, aber so richtig königlich wird er damit nicht. Verglichen mit den noblen und vornehmen Gestalten der hohen Götter wirkt Bes hässlich, unwürdig, lächerlich. Er scheint aber eine große Popularität genossen zu haben. Er ist eine der am häufigsten dargestellten Götterfiguren, Götterfigürchen müsste man sagen. Viele Sympathien waren ihm zugewandt, aber von welcher Anhängerschaft wurde er angebetet? Und wem gefällt es, ihn als einen hässlichen Knilch darzustellen? Könnten das zwei verschiedene Kreise sein? Die einen mögen ihn, die anderen mögen es, auf ihn herabzusehen.

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Relief Bes und Beset, Louvre, Foto von Chosovi- Viajes por la Noosfera, cc-by-sa

Es gibt ver­schiedene Inter­pretationen zu Bes:

Bes als Schlangen­töter

War er ein Wächter für den Haushalt? Die Darstellungen mit Messer und Schlange führten zu der Theorie, der Gott Bes würde vielleicht gerufen, um den Haushalt gegen gefährliche Wüsten­tiere zu schützen, gegen Schlangen und Skorpione. Er sei also ein Art Schutzgott der Wohnung insbesondere gegen Schlangen, auf die er dann mit dem Messer losginge. Sein bedrohliches Aussehen könnte ihm geholfen haben böse Geister abzuschrecken.

Bes als Bett-Wache

Oder war er ein Beistand für Schwangere? Abbildungen von Bes sind in Frauengemächern und an den Kopf- oder Fuß-Enden von Betten zu finden. Manche Interpreten erhoben ihn deshalb zum Gott der Zeugung und der Geburtshilfe, sahen ihn als Beschützer der Schwangeren und der Neugeborenen. Was für eine Hebammenrolle soll das sein? Was für einem Schock wird ein neugeborenes Ägypterkind ausgesetzt, wenn die Fratze des Bes das erste sein sollte, was das Kind auf Erden erblickt.


Bes als Aufpasser. Cippus Horus (magical stela) MET

Bes als Aufpasser für die gefährlichen Spiele des kleinen Horus, Cippus MET, Foto MET

Oder ein Aufpasser für den Horus-Knaben?

Horus als Kind wurde manchmal auch mit dem Gesicht des Bes - darüber schwebend oder dahinter stehend - dargestellt. Man vermutete daher, Bes sei aus der Abteilung "Schwangeren-Schutz" allmählich hinausgewachsen in die "Babysitter-Abteilung", auch für größere Kinder und Heranwachsende. Ist Bes Pädagoge und Gouvernante?

Oder Bes als Tänzer und Musikant?

Allerdings erscheint Bes auch mit Musikinstrumenten, spielt auf einer Harfe oder auf dem Tamburin. Ist er ein Gott der Launen und Lustbarkeiten? Ein Spassmacher und Unterhaltungskünstler für die anderen Götter?


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Bes als Schinktoepfchen fuer Kajal, ca.1300 v.Chr.

Bes als Schminktöpfchen (für Kajal in der Federkrone), circa 1400 bis 1300 v.Chr., Louvre, Foto von Jebulon, cc0

 › Bes als Girlandenhalter  › Der soziale Ort des Bes  › Bes ist der Sklavengott  › Die Herkunft des Bes  › Bes und das Bilderverbot

Bes, der Gott mit den vielen Aufgaben

Die Vielfalt der Darstellungen zeigt die Vielfalt der Aufgaben: Bes war einfach immer da und für alles zur Hand, was gerade von Nöten war. Der komische Zwerg scheint eine Art Multitalent oder eine Multi­funktions­gottheit gewesen zu sein. Einen Bes kann man immer brauchen. Jeden Job kann man ihm auftragen. Er macht das. Und verachten darf man ihn auch noch. Er nimmt das nicht krumm. Der lässt sich das gefallen. Muss er wohl.

Alles nur apotropäisch?

"Apotropäisch" heißt das Standard-Wort zur Interpretation des Bes in den wissenschaftlichen Abhandlungen über ihn. Apotropäisch bedeutet Abwehr des Bösen in welcher Form auch immer. Diese Interpretation passt gut auf die Elfenbein-Ritzzeichnungen von sogenannten magischen Messern, die einen löwenköpfigen Herrn der Schlangen zeigen. In dieser Bild­tradition ist Bes recht ehrenvoll in Szene gesetzt, nicht so dickbäuchig und auch weniger kurzbeinig. Aber als durchgängiges Interpretament für den ganzen Bes in allen seiner Erscheinungsformen, wird es fraglich. Die Übertragung des Apotropäischen funktioniert teilweise, um die Hässlichkeit des Bes in den anderen Darstellungs­traditionen zu rechtfertigen. Das Abstoßende seines Bildes dient der Abstoßung des Bösen. Der Widerspruch zwischen der Hässlichkeit des Bes und seiner Popularität scheint damit gelöst. Aber so ganz zutreffend ist es nicht. Die Girlanden­halter auf den Säulen­kapitellen von Dendera (siehe unten), sind zwar hässlich, aber doch nur um ausgelacht zu werden. Noch weniger von apotropäischer Absicht ist zu spüren, wo Bes als Kajal-Töpfchen-Träger fungiert. Da guckt er putzig bis teuherzig. Und es gibt ihn auch als Klingel und als Spiegel­griff und in vielen anderen harmlosen Tätigkeiten, ohne Abwehr­funktion. "Dienend" scheint da eine viel passendere Beschreibung, anstelle von "apotropäisch". Die Ägyptologie mag das nicht, sie verharrt bei "apotropäisch", also gehen wir hier ohne ägyptologische Rückendeckung weiter.


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Bes als Girlanden­halter, reihen­weise auf jedem Kapitell des Hathor-Tempels in Dendera. Foto von Francesco Gasparetti, cc-by 2.0

Der soziale Ort des Bes

Bes hat kein eigenes Heiligtum, wie die anderen Gottheiten. Anscheinend ist seine Anhängerschaft nicht in der Lage, einen großen Tempelbau zu finanzieren, aber an (fast) allen Heiligtümern der großen Götter ist Bes ständig vertreten in dienender Funktion als Verzierung auf Einrichtungsgegenständen, als kleine Säulenfigur ("Girlandenträger") oder kleiner Musiker mit Harfe oder Handtrommel. Bes hat keine Großstatuen, wie die anderen Götter, er taucht nur in Form kleiner Statuetten auf, selten mehr als kniehoch. Den Bes gibt es als Schminktopfträger für die Kajaldose, als Spiegelhalter, als Nackenstütze und als eingeschnitze Figur im Bettgestell. Vor allem aber gibt es Bes massenhaft in Form von vielen kleinen amulettartigen Figürchen in allen Haushalten. Welche Interpretation legt sich nahe, wenn man die soziale Einordnung in die ägyptische Gesellschaft mit in Betracht zieht?


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Sortiment von Bes-Amuletten im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst. Zusammengefasst aus einem Foto von Einsamer Schütze, cc-by-sa

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Bes geschnitzt in der Rückenlehne. Aus dem Grab von Ramose und Hatnofer. Foto von Hans Ollermann, cc-by-sa

Bes ist der Sklavengott

Bes ist der Sklavengott in Ägypten. Diese Interpretation erklärt alle weit auseinander­liegenden Erscheinungs­weisen des Bes und sie erklärt alle seine "Nicht-Erscheinungs­weisen", nämlich das Fehlen von Großstatuen und das Fehlen eines eigenen Heiligtums. Bes ist nicht nur der Gott der Sklaven und für die Sklaven, sondern er ist auch das Abbild ihrer gesellschaftlichen Funktionen. Sklaven stehen bereit zu jeder Tages- und Nachtzeit, wann immer die hohen Damen und Herren bedient werden wollen. Sklaven werden im Haushalt vorgeschickt, wenn Schlangen oder Skorpione beseitigt werden müssen. Sklaven müssen als Girlandenträger, Musiker und Spaßmacher oder was sonst gerade gebraucht wird, bei den Festen die Hilfsdienste machen. Sklaven passen auf die Kinder der Herrschaften auf. Sklaven dürfen verächtlich gemacht und ausgelacht werden. Ihr Verhalten und Aussehen wird als "von Natur aus" hässlich und unwürdig dargestellt, sonst würden sie ihren gutgestylten und würdevollen Herren und Herrinnen womöglich noch Konkurrenz machen. Das Bild des Bes wird nicht gestaltet von seiner Anhängerschaft, sondern von denen, die ihn Herabwürdigen. Dass er für alles zu gebrauchen ist und gutmütig die zugewiesene Arbeit macht, ist die einzige Würde, die ihm zuerkannt wird. Das Bild des Bes zeigt, wie die herrschenden Kreise ihre Sklaven sehen. Nach diesem Bild und mit diesem Bild wird die soziale Rolle der Versklavten geformt. Und die Sklaven erkennen sich in ihm wieder.


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Bes Amulett

Eines der vielen Bes-Amulette für die kleinen Leute. cc0

Sympathie für den Bes

Die Sklavinnen und Sklaven finden ihn sympathisch, weil er ihr Leben, ihre Arbeit, ihre Herabwürdigung wiederspiegelt. Ein Amulett von Bes bei sich zu tragen, stärkt dich in allen deinen Arbeiten und hilft dir, die Entwürdigungen auszuhalten. Bes ist solidarisch. Bes ist auf deiner Seite. Natürlich vollzieht niemand freiwillig dieses Sichidentifizieren mit dem hässlichen Kerl. Viel lieber wähnen wir uns hinein in die Schönheit der hohen Gottheiten. Die Sehnsucht nach dem Schönen und Hoheitsvollen tarnt sich auch gerne als wissenschaftliche Objektivität und Distanziertheit, von Bes ein bisschen distanzierter, zu Horus ein bisschen sich hingezogen fühlend. Und über Gefühle spricht man nicht in der Wissenschaft. Was ist nötig für das Sichidentifizieren mit Bes? Der Zwang der tatsächlichen Verhältnisse ist ein starker Faktor. Du bist gefangen in dieser Realität. Du bist all dem ausgeliefert und Bes ist dein Spiegelbild. Der andere Faktor ist die Liebe. Die Liebe zu den Mitmenschen, die in den selben Verhältnissen leben müssen, durchdringt die verächtlichen Negativbilder, die halt nur die halbe Wahrheit sagen. Ein trotziges "Ja, so sind wir" und ein heimliches "Wir sind aber auch anders" bildet die Aneignung des Bes-Bildes als Selbstbild und als Gottesbild. Die Liebe ist notwendig um sich der unangenehmen Realität zu stellen. Die Liebe schafft Realismus. Die Sklavinnen und Sklaven nehmen den Bes an als Bild für ihren Gott und werden heimisch in diesem Bild, weil es ihre Realität zeigt. Die geliebte wie die ungeliebte.

Die Herkunft des Bes, alias Aha

Das Erscheinen des Bes in Ägypten wird gegen Ende des alten Reiches etwa 2500 v.Chr. datiert. Seine Herkunft wird im Süden vermutet. In Nubien gab es Löwengötter, die dort wohl eher königliche Funktionen hatten. Von Ägypten aus gesehen war der Sudan das eine Reservoir zur Erbeutung von Sklaven. Das andere war die Levante im Nordosten Ägyptens. Das Land am Nil holte seinen Nachschub durch beide Tore: Vom Nildelta am Mittelmeer entlang fielen die Heere des Pharao in den syrophönizischen Raum ein und vom Oberlauf des Nils in die Gebiete des Sudan. Die Ellenbogen hinter dem Rücken zusammengebunden und am Hals die durchgehende Leine zum Vordermann und Hintermann, so wurde die Beute in langen Reihen auf den Weg genommen. Afrikanische Sklaven und semitische Sklaven begegneten einander in Ägypten.

Sklavenbilder am Sockel des Pharaonenthrones

Sklavenbilder am Sockel des Pharaonenthrones, links aus Nubien, rechts aus der Levante. Details aus Fotos von Olaf Tausch und Landkartenausschnitt von Jeff Dahl, jeweils cc-by-sa

Übertragung eines Gottesbildes auf eine erweiterte Bevölkerungsgruppe

Der Löwenköpfige Gott der Nubier war ihr Bild von Würde gewesen. Vielleicht brachten die aus dem Sudan verschleppten Menschen ihren königlichen Löwengott mit, als Trost, als Erinnerung an die Zeiten der Freiheit und als Hoffnungsschimmer auf deren Wiederkunft, wie später die Sklaven der Neuzeit ihre Religionen mitbrachten nach Amerika, als Candomblé oder Santería. Es könnten aber auch andere Arten der Einwanderung gewesen sein. Der löwenköpfige Schlangenbändiger auf den Zaubermessern des mittleren Reiches sieht nicht wie ein Sklave aus, eher wie ein Schamane oder Magier. Importiert könnte er trotzdem gewesen sein. Welches auch immer die Wurzel war für den Bes in Ägypten, sein weiteres Schicksal war jedenfalls die Entwürdigung. Er wurde von den herrschenden Ägyptern schließlich verächtlich gemacht und zur Karikatur seiner selbst erniedrigt. Die anderen Sklaven, die aus der Levante angeschleppten Semiten scheinen jedoch mit den nubischen Kolleginnen und Kollegen soviel Gemeinsamkeit entwickelt zu haben, dass sie deren Gott adoptierten, oder deren Schlangenmagie. Wie war das gleich mit dem Auftritt des Mose vor dem Pharao? Indem sie ihre Realität in diesem Gott wiedererkannten, übernahmen sie ihn als Bild für ihren eigenen Gott. Vielleicht sind auch Bilder von semitischen Göttern miteingeflossen. Die Patäken-Figürchen der phönizischen Seefahrer kamen zwar erst später ins Spiel, aber vielleicht hatte es Vorläufer davon gegeben. Die Schicksalsgenossenschaft der afrikanischen mit den semitischen Sklaven in Ägypten erzeugte soviel gemeinsames Leben, gemeinsame Erfahrungen, dass auch die Gottesbilder miteinander geteilt wurden. Diese Gottesbild-Übertragung durch Schicksalsgenossenschaft wird bezeugt durch die Bilder auf den Tonkrügen von Kuntillet Ajrud. Die Israeliten hatten noch bis in die Köngiszeit das Bild des Bes im Kopf, wenn sie sich - gegen das Verbot - ihren Gott JHWH bildhaft vorstellten. Und dieses Bild hielt sich zäh in den Köpfen und Herzen, weil soviel Liebe und Selbsterkenntnis daran hing.

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Bes und JHWH und das Bilderverbot

Vielleicht gehört der Wunsch, das Bes-Bild endlich loszuwerden, sogar zu den Wurzeln des Bilderverbots. Das Verbot, sich von Gott ein Bild zu machen, würde dann die Gefahr bekämpfen, dass durch das Bild des Sklavengottes in den Köpfen der JHWH-Anhängerschaft, ein Rückfall in die Sklaverei drohen könnte. Bei späteren Revolutionen zeigte sich oft die Problematik, dass nur ein Rollentausch zustande gebracht wurde. Knechte wurden Herren und Herren wurden Knechte. Die Spielregeln aber blieben dieselben, weil die neuen Herren keine anderen Umgangsformen kannten, als die ihrer alten Herren. Die Wege des Denkens, Fühlens und Handelns blieben in den alten Geleisen. Das ist das Schicksal einer Revolution, wenn sie oberflächlich bleibt. Ziel wäre die Einführung neuer Spielregeln, also die Überwindung des Herrenbildes und des Knechtsbildes in den Köpfen, in den Herzen und im Verhalten der zukünftigen Generationen. Sowohl die herrischen Posen des Pharao, als auch die Sklavenartigkeit des Bes halten die Menschen gefangen im alten Spiel. Die Herrschaftspose steckt verbalisiert in der Formel "er führte sie mit ausgerecktem Arm". Dieses Gottesbild schwingt an vielen Stellen mit, wo das mächtige Eingreifen JHWHs beschrieben wird. Wie sonst sollte man die Erlebnisse eines machtvollen Eingreifens beschreiben, als mit den Posen der Macht? Und die Herrschaftspose bildet die Versuchung herrschen zu wollen. Wer sich in Herrscherpose wirft, erhebt sich über die Mitmenschen. So erzeugt dieses Bild vom machtvoll daherschreitenden Gott mit ausgerecktem Arm die Gefahr, dass neue Herrscher heranwachsen, neue gottgleiche Könige, die aufs Neue ihre Mitmenschen versklaven. Diese Versuchung wird für die befreiten Sklaven dann in Kanaan konkret im Bild des Ba'al. Die nachfolgenden Generationen, die Kinder der Hebräer waren in Gefahr, in die Ba'als-Kulte hinein zu geraten, denn der kanaanitische Herrengott Ba'al wird standardmäßig mit eben dieser Pose dargestellt. Zur Überwindung des Sklavenbildes als Selbstbild, reicht es nicht, sich das Herrschaftsbild anzueignen, sondern beide Bilder müssen verworfen werden. Das Bilderverbot, wie die anderen Gebote des Mose, bekämpfen die Gefahr rückfällig zu werden in die Sklaverei. Keine natürliche Weltordnung wird in diesen Geboten wiedergegeben, sondern eine Absicherung gegen den Rückfall wird installiert. Bleibt auf Augenhöhe zueinander, respektiert einander. Der Gott JHWH verwahrt sich gegen die Posen der Unterwerfung wie der Überwerfung. Du sollst dir kein Bildnis machen. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht. Wer die Posen des Herrschens liebt, steht nicht auf der Seite JHWHs. Wer sich in die Posen der Unterwerfung drängen lässt auch nicht.

Die Pharaonen bleiben bei den Bildern

Das pharaonische Ägypten fasst die Vorgänge in der Levante zusammen im Bild der Verschmelzung des ägyptischen Chaosgottes Seth mit dem kanaanitischen Herrengott Ba'al. Sowohl die kanaanitische Kleinstaaterei als auch der machtergreifende Erfolg der Hebräer, fällt für die herrschenden Kreise in Ägypten unter das Urteil: In Kanaan herrscht das Chaos. Dargestellt wird diese Beurteilung im Bild: Ba'al ist Seth. Das Gegenstück dazu bleibt die humbelige Befehlserwartungshaltung des Bes. Der Siegertyp mit ausgerecktem Arm dahin schreitend und der Verlierertyp mit heraushängender Zunge auf die Befehle seiner Herren wartend, das sind die beiden Zielvorgaben für das menschliche Leben. Beide Bilder werden in Ägypten weitergeführt. Beide Haltungen sich abzugewöhnen bleibt eines der wichtigsten Ziele, wenn die Herausführung aus der Sklaverei langfristig Erfolg haben soll.

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Schriftzug Rahab und die rote Schnur



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Der Untergrund von Jericho
Schaedel von Jericho
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Bes pantheos, Walters Art Museum

Bes wird bös

Bes ändert sich gewaltig in der Spätzeit Ägyptens. Er bekommt Flügel und das Erschreckende an ihm ist nicht mehr sein bärtiges Gesicht, seine faltigen Augenlider und seine herausgestreckte Zunge, sondern es ist sein neuartiges, machtvolles Auftreten und vorallem sind es die bedrohlichen Mutationen seines Körpers.


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