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Rahab und die rote Schnur

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Rahab's Spruch zur Einordnung des JHWH in den Himmel der Kanaanäer / Teil 4 /  Dieser Artikel wurde veröffentlicht am 2021jan19

Einordnung des JHWH in Kanaan

 › Die Erde wird verbunden mit JHWH  › Wo verläuft der rote Faden?  › Eine archäologische Frage: Wieviel Stein und Metall bringen Einwanderer mit?  › Nicht imperial  › Was die Archäologie findet  › Fromm gesagt: Unsere Vorfahren im Glauben  › Die Suche nach dem Weg durch die Geschichte  › Den andern ist es auch nicht recht  › Rahabs Spruch vor diesem Hintergrund  › Wie versteht Josua JHWH?  › Jetzt fehlt die dritte Seite: Der ägyptische Bes  › Bes mus nicht schön sein

Die Erde wird verbunden mit JHWH

JHWH der Gott der Hebräer hat sehr viel zu tun mit der Erde. Sein Versprechen an die Hebräer, ihnen Erde zu geben, wo Milch und Honig fließen, bildet einen wichtigen Traditionsstrang in dieser Religion. Es ist das Versprechen sesshaft zu werden. Ihr werdet den Kulturwechsel schaffen von den umherziehenden Nomaden zum sesshaften Ackerbau. Ihr werdet Erde haben, die euch ernährt. Erde ist in dieser Verheißung keine neutrale, sachliche Substanz aus Gesteinsmolekülen, Erde ist auch kein Privateigentum und Kapitalanlage, sondern Erde ist etwas sehr religiöses. Auch wo sie nicht als Göttin Aschera benannt wird, ist das religiöse Gefühl für die Erde dennoch vorhanden. Das belegen die biblischen Texte. Die Israeliten erschaffen nicht auf die Schnelle einen religionslosen Umgang mit der Erde. Ein religionsloses Weltbild wird erst in der Moderne modern. In den Zeiten davor ist Religionslosigkeit durchaus nicht die Normalität, als die manche heutige Menschen sie gerne hätten. Die Israeliten leben, denken, fühlen in ihrer Zeit. Auch der Sprung in ein universalitisches Gottesbild ist so simpel, so abstrakt, so philosophisch nicht das Ziel aller Anstrengung. Das binäre Weltbild, oder zumindest ein Teil davon, wird aus dem Blickwinkel der JHWH-Erfahrung als problematisch erkannt, aber es bleibt quasi im Untergrund bestehen, trotz aller Versuche, darüber hinaus zu denken.

Wo verläuft der rote Faden?

Nicht in der Theorie wird am dringlichsten eine neue Welt gesucht, sondern in der Lebenswirklichkeit. Kein abstraktes Weltbild und Gottesbild ist das Ziel, sondern die JHWH-Religion versucht die Verhältnisse, in denen die Erde steht und in denen die Erdlinge leben, neu zu bestimmen. JHWHs Besonderheiten im Bodenrecht heben ihn ab von den kanaanitischen Rechts- oder modern gesagt: Unrechts-Verhältnissen. Was Recht oder Unrecht ist, muss aber in den Auseinandersetzungen erst noch erfunden werden. Welche Bestimmungen der sozialen Verhältnisse in die richtige Richtung führen, nämlich weg von der Sklaverei, ist auch innerhalb in der JHWH-Religion umstritten. JHWHs Skepsis gegenüber der Macht von Königen könnte, in ganz weiter Perspektive gedacht, ein Anfang sein von Meinungsfreiheit und kritischer Öffentlichkeit. Da liegt das Neue, aus dem dann ein noch zu bestimmender Monotheismus wachsen wird. Was dann der Himmel sein wird, was die Erde, in welchem Horizont Gott gedacht werden wird und was das mit den Geschlechtern oder eben nicht mit den Geschlechtern zu tun haben wird, sind von den damaligen JHWH-Gläubigen her gesehen, Fragen der Zukunft. Ein monotheistischer Impuls war zwar schon darin enthalten, aber dieser Impuls kommt nicht aus der Philosophie, sondern aus dem religiösen Streben nach einer neuen Gesellschaftsordnung. Der entstehende Monotheismus dient nicht einer in sich widerspruchsfreien Theorie über Gott (m/w/d) oder Götter (m/w/d), sondern will auf eine nicht versklavende Gesellschaft hin wirken. Und diese Ideen stammen nicht aus Kanaan, sondern aus Ägypten. Was die Archäologen in Kanaan als proto-israelitische Siedlungen bezeichnen, zeigt eine neue Sozialform. Da ist etwas deutlich anderes als bei den kanaanäischen Stadtstaaten. Diese archäologischen Funde passen sehr gut zu den vielfältigen Beziehungen JHWHs zur Erde. Offen ist die Chronologie, also wieviel von diesen neuen Ideen schon in frühen Phasen der Einwanderung zur Geltung kam, und wieviel sich erst im Land entwickelte. Die Charakteristiken JHWHs sind der Kern, sind der rote Faden der weiteren Religionsgeschichte des vorderen Orients und später der ganzen Welt.

Eine archäologische Frage: Wieviel Stein und Metall bringen Einwanderer mit?

Die Religion Israels sei vielleicht auch nur eine unwesentliche Variante der Religionen Kanaans, so meinten manche Archäolog*innen und Theolog*innen, enttäuscht angesichts der archäologischen Funde. Sie hatten offensichtlich andere Erwartungen, wie JHWH sich zeigen müsste. Markanter, eindeutiger hätte JHWH sein sollen, um nicht mit Ba'al in einen Topf geworfen zu werden. So viele Tonfigurinen von Aschera und so wenig Abgrenzung des einen und einzigen Gottes, da findet man ja fast nichts Beweiskräftiges für den einen, allumfassenden, allmächtigen Gott, aber für eine kleine, neue, alleinstehende, noch unsichere Religion schon eher. Wo ein fremdes Königreich über Kanaan herfiel, wo eine überlegene Streitmacht die kanaanitischen Kleinstaaten eroberte, da finden sich die materiellen Hinterlassenschaften in den archäologischen Grabungen. Die neuen Waffen, die neuen Königssiegel, die neuen Kunst- und Gebrauchsgegenstände der überlegenen, oder besser gesagt: der mächtigeren Kultur sind ablesbar. Die Kolonial-Herren und -Damen geben ihre Herrschaft über ein besetztes Land zu erkennen durch ihre jeweiligen »Coca-Cola-Dosen«. Aber was bringen Migranten mit?

Weil sie von den Zeichen der Hebräer nichts Herrschaftliches sehen, meinen manche Fachleute, es habe keine Einwanderung gegeben. Archäologisch nachweisbar sei nur eine De-Urbanisierung, eine Verlagerung der Bevölkerung aus den ehemaligen Städten hinaus in die neuen Dörfer. Dass diese Umsiedlung intern erfolgt sei, ist der vorschnell daraus gezogene Schluss. Israel sei gleich Kanaan, weil keine neuen Paläste gebaut wurden. Aber welche archäologischen Spuren sind denn zu erwarten, wenn ein Einwanderungsschub nicht als neue Feudalschicht kommt? Was ist auszugraben, von einer nomadischen Einwanderung aus der Wüste, ohne die Mitführung großer materieller Besitztümer? Manchen Archäologen ist dieses Problem bewusst. Was ließe sich finden, wenn die Neuzugezogenen notgedrungen von den Einheimischen lernen. Wonach muss man suchen, um die Hebräer aufzuspüren? Ihr Nomadendasein wollen die Einwanderer bewusst hinter sich lassen, Ackerbau wollen sie lernen. Die erforderlichen Handwerkskünste müssen die Neuen großenteils erwerben am Vorbild dessen, was schon da ist. Die materielle Kultur von Werkzeugen und Gebrauchsgegenständen kupfern sie ab bei der Vorgängerkultur. Und sobald sie das Schmieden der Ackerbauwerkzeuge können, sieht eine hebräische Sichel dann fast genauso aus wie eine kanaanäische. Und nicht nur die Gebrauchsgegenstände werden mit dem Ackerbau nachgeahmt, sondern auch vieles der dazugehörigen Weltsicht wird großenteils übernommen. Nach welchem Kalender wird der Zeitpunkt für die Saat bestimmt? Wie wird eine Weinbergmauer gebaut, wie eine Kelter angelegt? Viele solche Teile der Kultur liegen im Land bei den Kanaanäern. Wer übergibt dieses Traditionswissen den Neuankömmlingen? Welche Kompetenzen können sie bei wem lernen? Die Enttäuschung der Archäologie erklärt sich nicht aus der fehlenden Fundlage, sondern aus den falschen Erwartungen, was da zu finden sein müsste.

Nicht imperial

Die Archäologie ist wichtig zur Korrektur falscher Bibelauslegungen. Noch heute lesen sowohl die Bibelkritiker als auch die Bibelgläubigen die Geschichten von der Landnahme Israels als ginge es um einen imperialen Eroberungszug. Wie früher in der Geschichtsschreibung fette Pfeile auf Landkarten gedruckt wurden, um die Stoßrichtung irgendwelcher imperialer Heerzüge zu beschreiben, so denken sich Manche den Einzug der Israeliten ins verheißene Land und dann passen die archäologischen Funde nicht. Es sind die Geister des wilhelminischen Zeitalters, die immer noch in den Köpfen spuken. Geschichtsschreibung, Archäologie und Bibelfrömmigkeit hatten damals und haben manchmal noch heute im Fokus die großen Reiche und die Eroberer, die solche Reiche mit imposanter Gewalt zustande brachten. Und die Kavallerie-Divisionen des Josua Ben-Nun brechen durch bis zur Mittelmeerküste, wo sie dann die weiß-blaue Fahne mit dem Davidsstern hissen und das Einwohnermeldeamt für alle verbleibenden Kanaanäer errichten. Dies nur so als Karikatur des Gottesbildes in dem sowohl die Skeptiker als auch die Superfrommen gefangen sind. Nach Blitz und Donner halten sie Ausschau, aber Ba'al ist nicht der Gott Israels.

Die Unterscheidung zwischen einer nomadischen Immigration und einer imperialen Expansion

Die Unterscheidung zwischen einer nomadischen Immigration und einer imperialen Expansion fehlte und fehlt zum Teil bis heute, sowohl bei den Gläubigen als auch bei den Kritikern der Erzählungen. Blutig kann beides sein. Eine pazifistische Moral sucht man vergebens in den Landnahme-Geschichten, aber die Bedeutungen der geschichtlichen Vorgänge unterscheiden sich. Die kleinen Hebräer kämpfen um etwas anderes als jene Eroberer, die nach dem Beinamen "der Große" gieren.

Da war kein Imperium, keine Hauptstadt und da war noch lange kein König David. Da war nichts woher Nachschub zu erwarten gewesen wäre, nichts wohin man sich im Falle eines Fehlschlages hätte zurückziehen können. Und das wichtigste Gepäck war der neue Gott, der Sklavenbefreier-Gott. Ein Volkswanderungsprozess verläuft anders und komplizierter als ein imperialer Eroberungszug. Dass Krieg und Blutvergießen leider dazu gehörten, zur Landnahme der Hebräer, davon erzählen nicht nur biblische Texte, sondern auch außerbiblische wie die Amarnabriefe (wichtigste Quelle zur Datierung der Landnahme), aber es war kein Imperium, das da einmarschierte. Die Einwanderung der Hebräer hatte einen anderen Charakter als eine Eroberung durch irgendein Großreich. Ein Kulturwechsel hat sehr wohl stattgefunden, aber nicht in Gestalt einer neuen Herrschafts-Kultur, also mit viel Materie, sondern in Gestalt einer neuen Sozialform mit utopischen Ideen und mit einem neuen, wenig bebilderten Gott.

Was die Archäologie findet

Was die Archäologie findet sind neue Siedlungsstrukturen, zum Beispiel Dörfer angelegt wie Nomadenzeltlager. Und sie findet andere Ernährungsweisen in den Abfallhaufen, ausschließlich Knochen von Schafen und Ziegen. Und dann gibt es da noch eine geballte Ladung neuer theophorer Namenselemente in den jetzt alphabetischen Inschriften. Ansonsten sind es größtenteils die Relikte der Anpassungsstrategie der Einwanderer an die ortsansässige Kultur, zum Beispiel Aschera-Figürchen in demokratisierter Form, also viele "billige" Tonfiguren anstelle von wenigen goldenen, "königlichen" Darstellungen der Göttin. Interessant wird es bei solchen Funden, die nicht in die einheimische Kultur passen, sondern seltsame Mischformen, Synkretismen und Neuentwicklungen enthalten, zum Beispiel Tonscherben mit dem Abbild des ägyptischen Sklavengottes kombiniert mit der Symbolik der kanaanäischen Göttin und dem Namen eines nicht der einheimischen Kultur angehörenden, neuen Gottes. Das ist gut! Das ist wichtig! Da ist das Neue! Die Scherben, die Ze'ev Meshel in Kuntillet Ajrud ausgegraben hat, sind ein äußerst starkes Zeugnis für die hebräische Einwanderung. Genau so operiert eine Kultur, die aus einer Position teilweiser Unterlegenheit, aber mit hoher Anpassungsfähigkeit und mit noch höherer Kreativität fremde und eigene Elemente miteinander kombiniert. Synkretismus ist ein Schimpfwort aus der konservativen Warte der Alteingesessen. Synkretismus ist aber eine Überlebensnotwendigkeit für Migrant*innen, die sich in einem neuen Umfeld zurechtfinden wollen und die dabei ihre eigene Identität neu bestimmen müssen. Wo der Synkretismus gelingt, bildet er dann das Muster der neuen Kultur über die folgenden Jahrhunderte. Deshalb können Scherben aus dem 9. oder 8. Jahrhundert die religiöse Szenerie aus dem 12. Jahrhundert vor Christus wiedergeben. Die Archäologen streiten über die Einordnung der fremdartigen Scherben in den Strom der Kulturentwicklung und die Bibelgläubigen sind befremdet von die frühen Formen eines JHWH-Glaubens, die eben nicht mit dem übereinstimmen, was durch die Jahrtausende dann daraus geworden ist. Konservative »Alteingesessene« aus späteren Zeiten hätten gern, dass die Identität der JHWH-Religion schon vorgegeben sein soll zu allen Zeiten. Das steht aber im Konflikt zum Namen JHWH. JHWH geht mit durch die Geschichte, anstatt sich obendrüber zu stellen. So sagt es sein Name. Dass Gott sich selber treu bleibt, geschieht nicht in den Denkweisen und Darstellungsweisen seiner Anhängerschaft. Diese sind dem Wechsel der Geschichte unterworfen. Und dieser Gott gibt sich sehr weit hinein in das geschichtliche Unterworfensein seiner Anhängerschaft.

Fromm gesagt: Unsere Vorfahren im Glauben

Die Bildchen von Kuntillet Ajrud wurden gemalt von Menschen, die sich dem Gott der Bibel zugehörig fühlten, auch wenn es die Bibel damals so noch nicht gab. Die Namen von JHWH und Aschera wurden da in althebräischer Schrift nebeneinander geschrieben von JHWH-Gläubigen, wie sie ihn damals halt verstanden. Diese Tonscherben gehören zu den Wurzeln, aus denen das Judentum und später das Christentum hervorgingen, so fremd uns das auch erscheinen mag.

Die Suche nach dem Weg durch die Geschichte

Die intensive Beziehung JHWHs zur heidnischen Göttin mit allen Konflikten ist nicht einfach ein Irrweg, sondern eine mächtige Schicht in der Stratigraphie der Religionsentwicklung, eine mächtige und konfliktreiche Schicht in der Bibel und im kulturellen Boden auf dem wir stehen. Nicht nur die monotheistischen Religionen, sondern auch der säkulare Teil der Kulturentwicklung mindestens des Abendlandes, wächst aus diesem spannungsreichen Boden. Die Häme mancher Möchtegernaufgeklärten gegen die Religion beweist nur deren Unkenntnis ihrer eigenen Wurzeln.

Der Kampf gegen Aschera war nur die eine Seite der JHWH-Religion in ihrer Suche nach einer richtigen Gesellschaftsordnung. Spätere "Alteingesessene" der monotheistischen Religionen vereinnahmen diesen Kampf für ihre einseitige Weltsicht. Durch ihre strikte Parteinahme für diese eine Seite übersehen sie die anderen Seiten, wie sie auch in der Bibel stehen. Die "JHWH und Aschera" Inschriften von Kuntillet Ajrud zeigen die anderen Seiten und sind damit ein archäologischer und durchaus auch göttlicher Nachhilfeunterricht bei der Bibellektüre. Eine dieser anderen Seiten ist das sehr weitgehende Miteinander von "JHWH und Aschera" in den Köpfen und Herzen vieler Israeliten jener Zeit. Die fanden das ganz normal. Und unsere modernen Monotheismusfragen werden der Einbürgerung der Hebräer und ihres Gottes in Kanaan wohl eher nicht gerecht.

Den andern ist es auch nicht recht

Um den Unterschied zu spüren zwischen JHWH und Ba'al, hilft es vielleicht, die Scherben aus der anderen Perspektive wahrzunehmen. Nicht nur wir Monotheisten sind befremdet. Die Worte und Bilder aus Kuntillet Ajrud passen genausowenig in die Kulte von Ba'al und Aschera. Gäbe es noch Theologen und Theologinnen oder auch nur Fromme dieser ausgestorbenen kanaanitischen Religion, würden auch sie entsetzt und entrüstet reagieren: Was hat die große Göttin Aschera, deren heilige Symbole hier überall zu sehen sind, zu tun mit diesem JHWH, dem Gott der Hebräer? Da steht JHWH als ägyptischer Bes und das gleich in doppelter Gestalt halbnackt in der Mitte. Was hat er da zu suchen zwischen den Zeichen von Macht und Reichtum und Erfolg. Der seltsame Flüchtling und Outlaw aus Ägypten stört doch nur bei der Verehrung und magischen Vermehrung von eben Macht, Reichtum und Erfolg. Auch die Propheten und Priester Ba'als und Ascheras haben Jahrhunderte lang gekämpft, gegen den JHWH-Glauben, gegen diesen Gott der Strauchdiebe und Landlosen, gegen den Gott der Witwen, Waisen und Ausländer, gegen diesen Entlaufenen aus Ägypten. Den Namen des Hebräer-Gottes in einem Segensspruch zu verwenden, spricht eindeutig für die Verehrung dieses Gottes. Die Tonkrüge von Kuntillet Ajrud wurden beschriftet von JHWH-Gläubigen. Und die Bilder erzählen die Geschichte dieses Gottes.

Baal und Aschera, Abdruck eines Rollsiegels

Das sexuelle Weltbild Kanaans, so oder so änlich wohl auch im Kopf Rahab's: Ba'al kommt über die Berge (die kleinen Hubbel unter seinen Füßen) daher geschritten. Die Göttin (Aschera oder Athirat oder unter einem anderen ihrer Namen) hat schon ihr Kleid geöffnet, um ihn zu empfangen.
Abdruck eines Rollsiegels aus der Mittleren Bronzezeit II, jetzt im British Museum 1613374490, Lizenz ccbyncsa 4.0

Was bedeutet Rahabs Spruch vor diesem Hintergrund?

Der Spruch der als Hure titulierten Rahab im Buch Josua, Kapitel 2 redet von Himmel und Erde. Rahab sagt: "JHWH, euer Gott, ist Gott oben im Himmel und herab auf die Erde". Was bedeutet das vor dem Hintergrund des in Kanaan herrschenden binären Weltbildes? Was wird in diesem Spruch gemacht mit dem Gott der Einwanderer? JHWH wird an den Himmel befördert. Diese Beförderung wird von der Bibelleserschaft überhaupt nicht wahrgenommen, weil sie JHWH gar nicht anders kennen. Gott des Himmels ist JHWH in den Augen des Publikums schon von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das ist der eine Grund, aus dem spätere Monotheisten so große Probleme haben, die Rahab-Erzählung zu verstehen. Sie zählen zu den immer währenden Fundamenten des Glaubens, was historisch hier erst entsteht. Wie aber erlebten die Hebräer und die Rahab den Gott JHWH? Unter welchen Voraussetzungen nahmen sie diesen Gott wahr? JHWH wird von Rahab zum Gott des Himmels ernannt. Das ist aus polytheistischer Sicht ein atemberaubender Akt im Pantheon. Der mitgebrachte Gott JHWH galt bis dahin nicht als Himmelsgott, schon gar nicht als "der" Himmelsgott, sondern nur als ein aus der Reihe tanzender Sklavenbefreier. Zum Himmelsgott wird JHWH erst gemacht in Kanaan und zwar durch den Orakelspruch der Rahab: Euer Gott ist Gott des Himmels und herab zur Erde. Den Einwanderern war das eine Stärkung und Ermutigung. Sie brauchten das für ihren Einzug ins gelobte Land. Wie aber kann Rahab einen daher gelaufenen Sklavenbefreier-Gott an die höchste Stelle des Pantheons befördern? So wäre die Frage im polytheistischen System. Wer hat über diese Stellenbesetzung zu entscheiden? Das ist natürlich female choice. Die Erde nimmt sich einen neuen Mann. Sie verlässt Ba'al und lädt JHWH ein, zu ihr zu kommen. So geht das in der Götterwelt Kanaans. Durch wen tut die Göttin Erde ihre Entscheidung kund? Natürlich durch den Mund ihres Orakels. Rahab ist das Orakel der Erdgöttin. Sie erwählt wen sie will und da hat sie sich einen neuen Partner, einen neuen Himmel erwählt. Die Göttin trifft eine heftige und weitreichende Entscheidung. Ihre Orakelpriesterin interpretiert den unmittelbar bevorstehenden Zusammenprall zweier Kulturen, die Eroberung Jerichos durch die Hebräer, als einen Partnerwechsel der mächtigsten Göttin. Als fruchtbar auf eine neue Welt hin versteht sie das Zusammenkommen der kanaanäischen Erdgöttin mit dem Sklavenbefreiergott der Nomaden. Die Bezeichnung Hure wird ein bisschen verständlicher für alle, die Gott distanzierter denken von der Sexualität. So also wird JHWH einsortiert in das Weltbild: Er wird eingeheiratet in seine neue Rolle. So funktioniert Kanaan. Rahab versteht sowohl die Welt, als auch die Religion sexuell und bewerkstelligt mit ihrem Orakelspruch die sexuelle Vereinigung zweier Religionsströme mit allem daraus folgenden Glück und aller daraus folgenden Tragik, inklusive der Vernichtung Jerichos.

Sich selbst muss Rahab dabei als Trägerin der kanaanäischen Kultur im Blick haben. Das Überleben ihrer selbst und ihres Familienclans ist nicht einfach schamloser Egoismus, sondern ist notwendiger Bestandteil der Fruchtbarmachung des brutalen historischen Geschehens. Die Priesterin stellt sich selbst damit in den Auftrag, den Nomaden die kanaanäische Kultur, insbesondere die Fähigkeiten zum Ackerbau beizubringen, eine Aufgabe die sonst irgendeinem mythischen Kulturheros zukäme. In Rahabs Person wiederholt sich sozusagen die neolithische Revolution spezifiziert auf das Nomadenvolk Israel. Die Verschmelzung von kultureller Notwendigkeit und privatem Vorteil wird in den Fruchtbarkeitskulten anscheinend nicht moralisch problematisiert. Verständlich wird aber auch, dass Rahab nicht einfach als Verräterin an ihrer Vaterstadt zu sehen ist, sondern als die Verkörperung und Weitergabe der kanaanäischen Kultur unter Opferung der aktuellen Stadt und Bevölkerung Jericho.

Das ist die Dramatik des Orakelvorgangs auf der Seite der Orakelerteilerin. So bekommt die biblische Rahab-Erzählung Sinn aus der Sichtweise Kanaans. Aber dürfen Israeliten so denken? Welche Dramatik ereignet sich auf der Seite der Orakelbefrager? Dürfen Hebräer ein kanaanäisches Orakel befragen?

Wie versteht Josua JHWH?

Wie kann Josua Ben-Nun, der Nachfolger des Mose, Kundschafter zur Befragung eines heidnischen Orakels aussenden? Das ist die unheimlich prickelnde Frage. Und es ist diese Frage, die so große Schatten vorauswirft, dass weder die Theologie noch die sonstige Bibelleserschaft auf die eigentlich simple Idee kommen konnten, dass die Rahab-Erzählung zur Textgattung der Orakelbefragungen gehört. Josua der Glaubensheld schickt eine Delegation zur Befragung eines heidnischen Orakels. Was für eine Ungeheuerlichkeit! Davor scheut das interpretatorische Denken zurück. Das ist also der andere Grund, aus dem die Rahab-Geschichte nicht verstanden wurde. Nicht Rahab ist die Tabu beladene Gestalt in der Geschichte.

Was versteht Josua von JHWH? Wie denkt er über den Gott, in dessen Namen er Israel führt? Biblische Glaubenshelden denken über Gott anders als wir. Das ist der Schmerz für die Frommen und vor diesem Schmerz scheuen sie zurück. Mose, Josua und die Propheten lassen sich nicht so einfach kuscheln als Brüder im selben Glauben und mit denselben Meinungen. Und unsere biblische Glaubensheldin Rahab denkt über Gott nochmal anders. Gott ist nicht so wie die es dachten und nicht so wie ich es denke und nicht so, wie du es denkst. Du sollst dir kein Bildnis machen! Das meint Gott ernst! Nur so lassen sich manche Bibelgeschichten mit ihren unterschiedlichen Gottesbildern verstehen. In der Bibel gibt es verschiedene Gottesbilder. Was heißt das für den Glauben und für die Gemeinschaft der Glaubenden?

Wir singen das Lied des Mose und wir singen das Lied des Lammes. Aber weder die Melodie noch der Text besteht aus unseren Vorstellungen, aus unseren Dogmen, aus unseren Gedanken. Unser Glauben besteht nicht aus dem, was wir uns denken. Nicht wir erfassen irgendwelche Glaubensinhalte, sondern wir sind erfasst und mitgerissen in einem Strom des Glaubens, der durch die Geschichte fließt. JHWH bedeutet Gott geht mit. Gott geht mit durch die Geschichte, unsere Geschichte mit ihren Windungen. Gott ist bei uns trotz der Fehlerhaftigkeit unseres Denkens. Bitte löst euch von der Vergötterung eures Denkens. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, seid getrost und unverzagt!

Nachzeichnung zu den Tonscherben von Kuntillet Ajrud, Pithos A, zwei Bes-Gestalten, Version beide männlich

Es segne dich JHWH und Aschera. So steht es auf den Tonscherben von Kuntillet Ajrud Nachzeichnung zu Pithos A. Die treffende Darstellung der religiösen Situation der Hebräer in Kanaan.

Jetzt fehlt die dritte Seite: Der ägyptische Bes

Denken wir ruhig mal ein bisschen binär: Zwei Seiten finden sich in den Inschriften: Die Namen von JHWH und Aschera. Der jüdische Gott und die kanaanäische Göttin. Diese Paarung schafft Aufregung noch viele Jahrhunderte nach dem der Pinsel aus der Hand gelegt wurde. Das Nebeneinander zweier Namen reicht aus, um das weite Spannungsfeld aufzumachen, für all die Diskussionen die seither geführt werden.

Auch zwei Seiten, aber andersartige, finden sich in den Bildern: Auf der einen die Aschera-Symbolik, als Lebensbaum zwischen den Capriden, als Kalb und Kuh bildet die Göttin den einen Pol, aber was ist der Gegenpol dazu? Was ist die andere Seite in den Bildern? Wir kommen zu den beiden halbnackten Gestalten in der Mitte. Die sind nicht kanaanitisch, entsprechen aber auch nicht der Bilderlosigkeit, die wir auf der israelitischen Seite erwarten würden, sondern diese zwei Gestalten sind ägyptisch. Das bildnerische Gegenstück zur Aschera-Symbolik ist der ägyptische Bes! An diesem Ende des Regenbogens liegt der zweite Schatz der Scherben von Kuntillet Ajrud. Aber dafür werden wir mindestens eine neue Seite brauchen, vielleicht noch mehr.

Bes und Beset

Bes mus nicht schön sein, dafür ist er gut. Relief von Bes und Beset tanzend mit Tambourin. Louvre, cc-by-sa 2.5 Chosovi - Viajes por la Noosfera (Ein Dankeschön an den Fotographen: http://chosovi.blogspot.com).

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Schriftzug Rahab und die rote Schnur



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Bes als Schminktoepfchen

Die vielen Aufgaben des ägyptischen Gottes Bes


War Bes ein Wächter für den Haushalt gegen Schlangen und Ungeziefer? Oder ein Schutzgott der Schwangeren und Gebärenden? Oder war er das Maskottchen der Musikanten und Tänzer? Bes ist ein seltsamer Knilch unter den edlen Gottheiten Ägyptens."
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