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Küstermann


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Klasse 8

Material und Aufgaben für die achte Woche

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Luther's Fehler

Der folgende Satz ist nicht auf gotisch, aber trotzdem erstmal unverständlich:
Luther's Fehler waren nicht seine eigenen, aber wir müssen sie korrigieren, als wären es unsere.
Mit den folgenden Lektionen sollst Du diesen Satz verstehen. Wir werden aber mehrere Lektionen brauchen, um die größten Fehler Luther's zu bearbeiten. All diese Lektionen folgen dem obigen Satz.

Ein richtiges Bild von Luther und den Hexen.
Gimpage von Harald Kuestermann @ RoteSchnur.de.
Weiterverwendung unter der Lizenz CC-BY-SA 4.0 de.

Luther und die Hexen / Teil 1

Aus Luther's Predigt gegen die Hexen

"Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, dass die Zauberinnen getötet werden, denn sie richten viel Schaden an, was bisweilen ignoriert wird, sie können nämlich Milch, Butter und alles aus einem Haus stehlen … Sie können ein Kind verzaubern … Auch können sie geheimnisvolle Krankheiten im menschlichen Knie erzeugen, dass der Körper verzehrt wird … Schaden fügen sie nämlich an Körpern und Seelen zu, sie verabreichen Tränke und Beschwörungen, um Hass hervorzurufen, Liebe, Unwetter, alle Verwüstungen im Haus, auf dem Acker, über eine Entfernung von einer Meile und mehr machen sie mit ihren Zauberpfeilen Hinkende, dass niemand heilen kann … Die Zauberinnen sollen getötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räuber, Mörder … Sie schaden mannigfaltig. Also sollen sie getötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondern auch, weil sie Umgang mit dem Satan haben."

Das soll Luther gesagt haben? Der intelligente, gebildete, selbständig denkende, menschenfreundliche, barmherzige, zukunftsorientierte Doktor der Theologie Martin Luther soll so eine Sammlung von abergläubischem Zeug von sich gegeben haben? Mit einem Aufruf zum vielfachen Mord?
Ja, er hat das wirklich gesagt! Luther glaubte, Hexen gäbe es wirklich und sie könnten wirklich die genannten Schäden anrichten.

Aufgaben

1. Eine der von Luther genannten Hexereien findest Du im Bild wieder. Welche?

2. Nenne aus Luther's Liste drei Verbrechen, die auch heute als Verbrechen gelten und bei der Polizei angezeigt werden könnten.

3. Nenne aus Luther's Liste drei Stellen, die heute nicht als real, sondern als Aberglauben gelten würden.

Das Beweisverfahren "Bahrprobe"

Nicht bei Hexenprozessen, sondern bei "ganz normalen", mittelalterlichen Gerichtsprozessen galt als zulässiges Beweisverfahren die Bahrprobe. Der Verdächtige musste an die Toten-Bahre herantreten, die Leiche berühren und einen feierlichen Schwur sprechen, dass er diesen Menschen nicht umgebracht habe. Wenn dabei irgendwelche Veränderungen am toten Körper auftraten, dass zum Beispiel Blut aus einer Wunde sickerte, dann galt das als ein Zeichen, dass der Verdächtige doch der Mörder sei. Man nahm an, dass die Leiche sozusagen eine Zeugenaussage machen konnte, um den Mörder zu überführen.

Das geht doch nicht, würden wir heute sagen, die Leiche kann doch nicht mehr "reden". Ein zufälliger Vorgang im Verwesungsprozess könnte die Ursache sein für äußerlich sichtbare "Zeichen", aber auf solche Argumente hörten die Richter im Mittelalter nicht. Sie glaubten, die Leiche würde reagieren auf den Schwur und durch irgendein körperliches Zeichen mitteilen, ob das ihr Mörder sei. Die Angehörigen des Opfers, der Richter und der Verdächtige achteten gespannt auf die "Reaktion" des Toten. Und wenn zufälligerweise im Moment des Schwures die Fäulnisgase im Körper des Toten rumpelten, dann hatte der Verdächtige Pech gehabt und wurde verurteilt.

Vielleicht können wir uns dieses Verfahren heute psychologisch erklären: Der Mörder sollte durch seine direkte Berührung mit dem Opfer die Nerven verlieren und gestehen. Aber im mittelalterlichen Recht ist von solcher Psychologie nicht die Rede, sondern die Richter starrten auf die Leiche und erwarteten von ihr, dass sie kundtäte, ob der neben der Bahre Stehende schuldig sei oder unschuldig. Die Bahrprobe war kein Aberglaube von Analphabeten, sondern es waren studierte Rechtsgelehrte, die ganz ernsthaft mit diesem Beweisverfahren rechtmäßige Prozesse führten.

Diebes-Bann durch Vernageln

Ein anderes, auch "ganz normales" gerichtliches Verfahren war der Diebes-Bann durch Vernageln. Dazu wurde ein Auge auf ein Brett gemalt und das gemalte Auge wurde durch Beschwörung und Gebete mit dem Auge des unbekannten Diebes gleichgesetzt. In dieses gemalte und beschworene Auge wurde mit Nägeln oder Nadeln gestochen, bis der gesuchte Dieb (irgendwo im Publikum) vor Schmerz aufschreien würde und so zu erkennen sei. Nach dem modernen Weltbild dürfte das nicht funktionieren, weil der Nagel nur das Brett verletzt. Modern gedacht wäre eine Fernwirkung auf das Auge eines Diebes höchstens psychologisch möglich. Aber weil der Dieb im Publikum genauso an das Verfahren glaubte wie die Richter, konnte es damals vielleicht passieren, dass er aus schlechtem Gewissen meinte, sein Auge würde den Stich spüren. So wäre die moderne Erklärung. Im Mittelalter versuchten die Gerichte allen Ernstes mit solchen Tricks den Dieb zu enttarnen. Die Unterscheidung zwischen physikalischer Realität (Nagel im Brett) und psychologischer Wirkung (Schmerz im Auge) war im Mittelalter nicht so klar. Wenn der eventuell zuschauende Dieb gute Nerven hatte und jeden auftretenden "Juckreiz" in seinem Auge aushielt, ohne eine verräterische Bewegung zu machen, dann funktionierte das Verfahren nicht. So würden wir heute denken. Die damaligen Richter würden sich eher fragen, ob die Beschwörung nicht ganz richtig geschehen war.

In vielen Bereichen des Lebens

Solche Verfahrensregeln gab es viele in der mittelalterlichen Rechtssprechung und sie zeigen, wie weit das Weltbild des Mittelalters entfernt ist von heutigen Denkweisen. Nicht erst die Hexenprozesse erfolgten nach uns seltsam erscheinenden Regeln. Der Glaube an Hexerei war keine isolierte Wahnvorstellung, sondern ein fast schon normaler Bestandteil des vorwissenschaftlichen Denkens. Nicht nur in der Rechtsprechung sondern auch in der Medizin, in den Handwerken, in der Landwirtschaft also in so ziemlich allen Lebensbereichen gab es Regeln und Vorstellungen, die uns heute magisch oder gar wahnsinnig vorkommen.

"Aberglaube" ist leicht gesagt

Die modernen Menschen machen es sich leicht, über mittelalterlichen Aberglauben zu urteilen, aber was hätten die Menschen im Mittelalter anderes tun sollen? Es gab zwar die Alltagserfahrung, dass Menschen in der Regel nicht auf einem Besen durch die Lüfte fliegen, aber man war sich überhaupt nicht sicher, ob das immer und überall und für alle Menschen gleich sei. Die modernen Naturwissenschaften fingen erst an, sich zu entwickeln. Die Naturgesetze wie sie den modernen Menschen als sichere Wirklichkeit gelten, waren noch nicht erforscht. Die alten Gewohnheiten und Bräuche des Stammeslebens waren nicht mehr selbstverständlich, weil durch weite Handelsbeziehungen, durch städtische Gesellschaften und durch wandernde Menschenmassen alles neu und alles anders wurde. Stellt euch vor, welche Verbrechen möglich wären, wenn Magie funktionieren würde. Luther und die meisten Menschen seiner Zeit meinten, Zaubereien wären real. Zumindest schien es ihnen nicht ganz ausgeschlossen, dass es so etwas geben könnte. Und seid mal ehrlich: Moderne Menschen sagen zwar, dass sie nicht an Geister glauben, aber wenn sie nachts über einen Friedhof gehen, fangen manche an, ein Lied zu pfeifen, .

Aufgabe:

4. Was könnte der erste Teil des Zielsatzes bedeuten:
"Luther's Fehler waren nicht seine eigenen"
Notiere eine kleine Interpretation zu diesem Satz!

Weiter zum zweiten Teil: Luther und die Hexen / Teil 2