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Küstermann


Menue-Symbol Luther - 1. im Kloster - - 2. Zeit - - 3.1 Instanzen der Rechtfertigung - - 3.2 Rechtfertigung - - 3.3 Erklärungen - - 4. Luthers Entdeckung - - 5. Freiheit? - - 6. Brutalität - - 7. Was gilt vor Gott? - - 8. Bibel auf Deutsch - - 9.1 Hexen A - - 9.2 Hexen B - - 10. Anton Praetorius - - 11. Wirkung für die Freiheit - - 12. Wirkung für die Schule - - 13./14. Thomas Mann über Luther - - 15. Luther und die Juden -


Zahl 8

Klasse 8, dritte Woche

Instanzen der Rechtfertigung

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Die Rollenverteilung

Wenn ein Mensch sich rechtfertigt vor einem anderen Menschen, dann gibt er dem Gegenüber die Rolle des Richters / der Richterin. Das Gegenüber beurteilt die Rechtfertigung und entscheidet, ob diese akkzeptiert wird. Solange das wechselseitig geschieht, also beide Seiten aufeinander antworten, sind die beiden Menschen auf Augenhöhe. Das Sich-Rechtfertigen wechselt hin und her und die Richter*innen-Rolle ebenfalls. Das ist die Voraussetzung für ein gleichberechtigtes Gegenüber und für einen verantwortlichen Umgang miteinander. Nennen wir es eine symmetrische Beziehung.

In einer Gesellschaft gibt es aber auch assymetrische Beziehungen. Eltern fragen ihr kleines Kind: „Was versteckst du hinter deinem Rücken?“ Das kleine Kind muss sich rechtfertigen: „Gar nichts.“ Eltern: „Na dann gib mir mal das Feuerzeug.“ Mit dem Erwachsenwerden sollte ein Mündigwerden einhergehen, also eine Art Symmetrie hergestellt werden. In anderen gesellschaftlichen Beziehungen liegen noch andere Assymetrien, zum Beispiel: Richter*in und Angeklagte*r. Wer muss sich rechtfertigen? Oder: Konzernchef*in und Putzkraft. Wer muss sich rechtfertigen vor wem? Je größer eine Gesellschaft wird, desto mehr Rollen und Beziehungen gibt es. Und desto größer werden die Machtunterschiede und damit die Gefahren, dass das Menschsein verloren geht. Woher kommt die Menschenwürde? Woher kommt das Recht eines jeden Menschen gegen jeden Anderen?

Das was andere von uns erwarten, bildet eine mögliche Orientierungslinie für unser Verhalten. Gesellschaftlich wird das als „Moral“ zusammengefasst, die äußeren Verhaltensregeln. Wir tragen aber auch eine „Moral“ in uns, ein Gefühl für die Beurteilung der eigenen Verhaltensweisen, was wir gut finden oder weniger gut. Nennen wir es „Gewissen“. Beides aber ist nicht unbedingt richtig.

Die gesellschaftliche Moral war zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Kulturen sehr unterschiedlich. Nichts anfassen! Zuhause bleiben! Niemandem zu nahe kommen! Ist eine spezielle Moral für die Zeiten der Corona. Und auch außerhalb der Corona-Zeiten gibt es Moral die falsch oder unnötig sein könnte. Noch schlimmer: in jeder Gesellschaft gibt es Menschen, die die Moral für ihre eigenen Zwecke und ihre eigene Macht missbrauchen. Wie könnten diese schlauen Verdreher der Moral kritisiert und korrigiert werden? Die Moral, die in einer Gesellschaft gilt, muss nicht unbedingt gut sein.

Auch das individuelle Gewissen muss nicht immer der Weisheit letzter Schluss sein. Manche Menschen begehen Verbrechen, ohne schlechtes Gewissen, andere haben vielleicht ein zu feines Gewissen. Denkt an Luther im Kloster. Von woher soll ein Mensch sich sein Gewissen korrigieren lassen. Die einen brauchen vielleicht eine Schärfung ihres Gewissens, die anderen eine Entlastung. Woher weißt Du was Dein Gewissen braucht? Erinnert Euch an die Rolle, die Staupitz gegenüber Luther hatte.

Es müsste neben der gesellschaftlichen Moral und neben dem individuellen Gewissen noch etwas Drittes geben. Eine Korrektur-Möglichkeit an der die Maßstäbe nachjustiert werden. Es bräuchte eine zusätzlich Ansprechperson, nennen wir sie „Gott“. Aber wenn Gott, wenn die Religion von der gesellschaftlichen Macht besetzt wird, dann ist da kein drittes, sondern Gott und Religion sind dann nur wieder Verstärkungen für die Macht der Gesellschaft.

Was machte Martin Luther mit der Religion?

Lies die beiden folgenden Texte. Ja, ich weiß, sie sind schwierig und meine Fragen dazu sind auch nicht einfach. Alte Regel zum Hirntraining: Zweimal lesen hilft! Und lass Dich ruhig ein bisschen überfordern:
Wie ist in jedem der beiden Texte die Rollenverteilung beim "Sich-Rechtfertigen"? Welche Rolle bekommt der einzelne Mensch? Welche Rolle bekommt die Gesellschaft (Staat, Kirche, kirchlich verwaltete Elemente)? Und welche Rolle spielt Gott?

Text 1

„ … was wäre mir das für ein Richter, der blindlings die Sachen richten wollte, die er weder hört noch sieht? Nun sage mir, wie kann ein Mensch die Herzen sehen, erkennen, richten, beurteilen und ändern? Denn solches ist allein Gott vorbehalten, wie Ps. 7, 9–10 sagt: „Gott prüft Herzen und Nieren", ferner: „Der Herr ist Richter über die Völker", und Apg. 1, 24: „Der Herr kennt alle Herzen", und Jer. 17, 9 f.: „Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding, wer kann es ergründen? Ich, der Herr, kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen". Ein Gericht soll und muß ganz sicher sein, wenn es urteilen soll, und alles am hellen Licht haben. Aber der Seelen Gedanken und Gesinnungen können niemand als Gott offenbar sein. Deshalb ist es umsonst und unmöglich, jemand zu gebieten oder ihn mit Gewalt zu zwingen, so oder so zu glauben. Es gehört ein anderer Griff dazu, die Gewalt tuts nicht.“

aus: VON WELTLICHER OBRIGKEIT, WIE WEIT MAN IHR GEHORSAM SCHULDIG SEI. Martin Luther. 1523 n.Chr.

Text 2

„Du sollst wissen: wer gebeichtet hat und zerknirscht ist und Almosen in den Kasten legt, wie ihm der Beichtvater rät, der wird vollkommene Vergebung aller seiner Sünden haben und auch nach der Beichte und nach dem Jubeljahr an jedem Tag, an dem er das Kreuz und die Altäre besucht, den Ablaß erlangen, wie wenn er in der Kirche von St. Peter jene sieben Altäre besuchen würde, wo der vollkommene Ablaß gewährt wird. Was steht ihr also müßig? Laufet alle um das Heil eurer Seele. … O, ihr Kritiker [oblocutores], ihr Verleumder und alle, die ihr dieses Werk hindert auf direkte oder indirekte Weise, wie übel steht es mit euch: ihr seid außerhalb der Kirchengemeinschaft! Keine Messen, keine Predigten, keine Gebete, keine Sakramente, keine Fürbitten helfen euch.“

Johannes Tetzel in seiner Antwort auf Luther, Quelle der deutschen Übersetzung aus dem Lateinischen: Heiko A. Oberman, Hg., Die Kirche im Zeitalter der Reformation. Neukirchen-Vluyn, 1981, S. 15-16.

Welche Instanzen zur Rechtfertigung des Menschenlebens verkündet Tetzel?

Welche Instanzen zur Rechtfertigung des Menschenlebens verkündet Luther?

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Den besten Effekt für die Weiterentwicklung Deiner Hirnwindungen und die Deiner Mitschüler*innen erzielst Du, indem Du zuerst Deine Antwort formulierst und eingibst. Dann erscheint Deine Antwort und die Antworten Deiner Mitschüler*innen (ohne Namen) und zusätzlich meine Erklärung. Wenn Du nur einen zweitklassigen Lerneffekt willst, kannst Du das Feld auch leer lassen und so auf die Eingeben-Taste klicken, um wenigstens meine Erklärung zu lesen.


Den interaktiven Teil habe ich nach zig script-angriffsversuchen herausgenommen. Schade.


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