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Küstermann


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Klasse 8

Material und Aufgaben für die achte Woche

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Die Bibel auf Deutsch

Die Wulfila Bibel

Handgeschrieben in silberner und goldener Schrift: Der Codex Argenteus, geschrieben um 500 n.Chr. in Ravenna, befindet sich jetzt in Uppsala. Er ist die vollständigste Handschrift der Wulfila-Bibel, einer Bibelübersetzung, die etwa 350 bis 380 n.Chr. in der spätrömischen Stadt Nicopolis ad Istrum (heutiges Bulgarien) entstanden ist. Die Wulfila-Bibel ist als großer, zusammenhängender Text die älteste schriftliche Quelle einer germanischen Sprache. Nur einige fragmentarische Runeninschriften bieten ältere Belege.

Wulfila-bibel mit Vaterunser

Die Wulfila-Bibel entstand in Nicopolis ad Istrum, einer Stadt im heutigen Bulgarien. Das "Silberne Buch " ist die berühmteste erhaltene Handschrift von dieser Bibel. Es wurde mit silberner und goldener Tinte auf purpurfarbenes Pergament geschrieben, wahrscheinlich für Kaiser Theoderich in Ravenna. Bild: Fol. 4v und 5r, Matthäus-Evangelium 5 und 6.

Lies laut den folgenden, fremdartigen Text:

Atta unsar tu in himinam,
weihnai namo tein.
kimai tiudinassus teins.
wairtai willja teins,
sve in himina jah ana ärtai.
hlaif unsarana tana sinteinan gif uns himma daga.

jah aflet uns tatei skulans sijaima,
swaswe jah weis afletam taim skulam unsaraim.
jah ni briggais uns in fraistubnjai,
ak lausei uns af thamma ubilin;
unte teina ist tiudangardi
jah mahts jah wultus in aiwins.
amen.

Hast Du dieses Gebet wiedererkannt? Du kennst diesen Text auswendig, nur halt in moderner Form.
"weihnai" bedeutet: "Geweiht sei" oder "geheiligt sei".
"Kimai" bedeutet "kommen möge" oder "es komme".
"Wairtai" bedeutet "es werde", oder "es geschehe".

Lies nochmal laut in etwas angenäherter Schreibung:

Atta unser Du in Himinam
weihnai Namo Dein.
Kimai Tiudinassus Deins.
Wairtai Willja Deins,
sve in himina jah ana ärtai.

Es ist das Vaterunser in der ersten germanischen Bibel-Übersetzung. Sie stammt von Wulfila im vierten Jahrhundert nach Christus. Wulfila übersetzte für die Goten, die mit der christlichen Religion, (wahrscheinlich in einer arianischen Variante des Christentums) in Berührung gekommen waren. Und Wulfila hat dafür eine eigene Schrift erfunden aus griechischen Buchstaben und germanischen Runen. Gotisch ist eine germanische Sprache, also ganz einfach und ganz nahe bei der unseren (der letzte Halbsatz war jetzt nicht ganz ernst gemeint, ist aber trotzdem die Wahrheit).

Aufgabe 1:
Schreib das gotische Vaterunser zeilenweise ab und schreib möglichst auswendig Dein Vaterunser in modernem Deutsch zu jeder Zeile in anderer Farbe darunter (versuche es wenigstens bei den ersten vier Zeilen). Falls Du es nicht mehr auswendig zusammen bringst: Das Vaterunser steht in der Bergpredigt, im Matthäus-Evangelium, Kapitel 6. Zum Anhören

Übersetzung und Buchdruck

Es hatte schon lange vor Luther einige Übersetzungen der Bibel ins Deutsche gegeben. Das einfache Übersetzen in die deutsche Sprache kann also nicht der Grund gewesen sein, für den gigantischen Erfolg der Lutherbibel.

Auch die Herstellung von Büchern mithilfe unterschiedlicher Drucktechniken war schon kräftig im Gange. Zum Beispiel hatte der Drucker Johannes Mentelin in Straßburg schon im Jahre 1466 eine deutsche Bibel heraus gegeben. Weiter gab es gedruckte Bibeln von Heinrich Eggestein, von Günther Zainer, von Jodocus Pflanzmann, von Anton Koberger und etlichen anderen Druckereien. Die Erfindung des Buckdrucks war zwar wichtig, weil damit Bücher viel leichter vervielfältigt und viel günstiger angeboten werden konnten, aber allein die neue Herstellungstechnik und der Kaufpreis können nicht wirklich erklären, warum die Lutherbibel das meistgedruckte und meist gelesene Buch seiner Zeit wurde.

Der gewaltige Erfolg der Lutherbibel hat viele Gründe, aber die inhaltliche Qualität dürfte der wichtigste sein. Martin Luther hat drei Dinge zusammen gebracht:
1. Die sorgfältige, liebevolle Beachtung der Quellen, also der griechischen und hebräischen Texte der Bibel.
2. Sein tiefes religiöses Mitempfinden dessen, was da geschrieben stand. Luther lebte, fühlte und dachte in den biblischen Texten.
3. Seine sprachliche Kraft. Luther suchte und fand starke Formulierungen in der deutschen Sprache.

Luther war vertraut mit den sprachlichen Forschungen der Humanisten, insbesondere des Erasmus von Rotterdam, er kannte auch das damals moderne Kanzlei-Deutsch, wie es von Spalatin geschrieben wurde, und Luther hat "dem Volk auf's Maul geschaut", das heißt er hat darauf geachtet, wie die normalen Leute redeten. All diese Sprachebenen hat er zusammengebracht für seine Bibelübersetzung.

Die früheren Übersetzungen im fünfzehnten Jahrhundert waren oft nur eine Wort für Wort Übertragung aus der lateinischen Bibel, der Vulgata. Dabei wurde also keine Rücksicht auf deutsche Grammatik und Redewendungen genommen. Dies geschah nicht aus Unfähigkeit der Übersetzer, sondern aus religiöser Scheu und Unterwürfigkeit vor dem heiligen, lateinischen Text. Das bloße Übersetzen der einzelnen Worte in eine andere Sprache, erschien schon als ein kühner und gefährlicher Akt, sie wagten keine Abweichung vom Wortlaut. Luther hatte sich von dieser Autoritätsgläubigkeit frei gemacht, aber nicht frei für die eigene Willkür, sondern frei für das begeisterte Erleben der biblischen Inhalte. Er wollte es für Gott richtig machen, nicht für die irdischen Autoritäten.

Und für viele Bibelleserinnen und Bibelleser war dieser Wunsch ein starker Antrieb: Sich frei machen von allen Bevormundungen und stattdessen selber das Wort Gottes lesen und verstehen. Sie wollten selbständig werden in ihrer Beziehung zu Gott und sich eine eigene Meinung bilden, unabhängig von den vielen widersprüchlichen Meinungen der anderen. Diese Kraft der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit war bei Luther und seiner Bibelübersetzung zu spüren, deshalb wollten so viele dieses Buch lesen.

Aufgaben:
2. Warum befindet sich Luther auf der Wartburg?
3. Warum wird er dort nur "Junker Jörg" genannt?
4. Warum lässt er sich von Spalatin Bücher auf die Burg bringen?
5. Was tut Luther auf der Wartburg den ganzen lieben Tag lang?

Lutherstube Wartburg

Die Lutherstube auf der Wartburg. Foto etwa von 1890. Irgendwo muss dort noch ein Tintenfleck an der Wand sein. Wer weiß warum? ;-)

"Sendbrief vom Dolmetschen", Martin Luther 1530

Von vielen seiner Gegner wurde Luther's Übersetzung kritisiert, weil sie nicht wörtlich sei (siehe oben: Wort-für-Wort-Übertragungen aus der Vulgata galten als richtig). Luther antwortet darauf mit seinem "Sendbrief vom Dolmetschen":

"Zum Ersten .... Man merkt es aber gut, daß sie aus meinem Dolmetschen und Deutsch lernen deutsch reden und schreiben und stehlen mir so meine Sprache, davon sie zuvor wenig gewußt; danken mir aber nicht dafür, sondern brauchen sie viel lieber wider mich. Aber ich gönn es ihnen gern, denn es tut mir dennoch wohl, daß ich meine undankbaren Jünger, dazu meine Feinde, reden gelehrt habe."

"Zum zweiten könnt ihr sagen, daß ich das Neue Testament verdeutscht habe nach meinem besten Vermögen und aufs gewissenhafteste; habe damit niemand gezwungen, daß er's lese, sondern es frei gelassen und allein zu Dienst getan denen, die es nicht besser machen können. Es ist niemand verboten, ein bessers zu machen. "

"Ich hab mich des beflissen im Dolmetschen, daß ich rein und klar Deutsch geben möchte. Und ist uns sehr oft begegnet, daß wir vierzehn Tage, drei, vier Wochen haben ein einziges Wort gesucht und gefragt, haben's dennoch zuweilen nicht gefunden. Im Hiob arbeiteten wir also, Magister Philips*, Aurogallus** und ich, daß wir in vier Tagen zuweilen kaum drei Zeilen konnten fertigen. Lieber – nun es verdeutscht und bereit ist, kann's ein jeder lesen und meistern. Es läuft jetzt einer mit den Augen durch drei, vier Blätter und stößt nicht einmal an, wird aber nicht gewahr, welche Wacken und Klötze da gelegen sind, wo er jetzt drüber hingehet wie über ein gehobelt Brett, wo wir haben müssen schwitzen und uns ängsten, ehe denn wir solche Wacken und Klötze aus dem Wege räumeten, auf daß man könnte so fein dahergehen. Es ist gut pflügen, wenn der Acker gereinigt ist. Aber den Wald und die Stubben ausroden und den Acker zurichten, da will niemand heran."

*Philipp Melanchton, der wohl wichtigste Mitarbeiter im Übersetzer-Team Luther's
**Matthäus Aurogallus, Aurogallus war Humanist und Hebräisch-Kenner aus Böhmen (Tschechien) ebenfalls ein sehr wichtiger Mitarbeiter Luther's,
Es gab noch weitere Mitwirkende, die Bibelübersetzung war letztendlich Teamwork.

Aufgaben:
6. Aus welchen anderen Berufen und Arbeiten stammen die Vergleiche Luther's für die Übersetzungsarbeit?
7. Welches alttestamentliche Buch war laut Luther am schwierigsten zu übersetzen?
8. Auch seine Gegner übernahmen Luther's Art zu übersetzen und lernten von ihm. Wie beschreibt Luther das?
9. Vor welchen Instanzen rechtfertigt er seine Übersetzungsarbeit?


Bei den Übersetzern des Alten Testament's gab es den Spruch:
Wer hebräisch kann, trinkt aus der Quelle,
wer griechisch kann, schöpft aus dem Bach,
wer's nur auf Latein liest, leckt aus den Pfützen.

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Der Elisabeth-Brunnen, Zeichnung von Hanns Villard, "Von Eisenach und der Wartburg"

Die drei auf dieser Seite gezeigten Bilder (Wulfila-Bibel, Lutherstube und Elisabeth-Brunnen) sind gemeinfrei. Die zitierten Texte (aus der Wulfila-Bibel und aus dem Sendschreiben) sind ebenfalls gemeinfrei. Die übrigen Textpassagen stehen zur Verfügung unter Lizenz CC-BY-SA 4.0 (Namensnennung und Weitergabe unter gleichen Bedingungen). Die Namensnennung muss lauten: "Harald Kuestermann @ RoteSchnur.de"


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