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Küstermann


Menue-Symbol Luther - 1. im Kloster - - 2. Zeit - - 3.1 Instanzen der Rechtfertigung - - 3.2 Rechtfertigung - - 3.3 Erklärungen - - 4. Luthers Entdeckung - - 5. Freiheit? - - 6. Brutalität - - 7. Was gilt vor Gott? - - 8. Bibel auf Deutsch - - 9.1 Hexen A - - 9.2 Hexen B - - 10. Anton Praetorius - - 11. Wirkung für die Freiheit - - 12. Wirkung für die Schule - - 13./14. Thomas Mann über Luther - - 15. Luther und die Juden -

Klasse 8

Luther's Entdeckung

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Es geht um Dein Leben

Luther und Staupitz Wem vertraust Du? Wer kann machen, dass Dein Leben gut werde? Sorgen Deine Eltern dafür oder Deine Freunde oder Du selbst, oder das Glück, oder das Schicksal? Worauf vertraust Du? "Jeder ist seines Glückes Schmied", sagt eine Lebenseinstellung. Wie verhalten sich Menschen, die auf ihr eigenes Tun vertrauen? Eine andere Lebenseinstellung sagt: "Ein Prinz (eine Prinzessin) wird kommen und mich glücklich machen". Wie verhalten sich Menschen, die auf andere Menschen vertrauen? In einem Lied aus der Zeit um 1526 nach Christus heißt es:

Ich bitt noch mehr, o Herre Gott
- du kannst es mir wohl geben - ,
dass ich nicht wieder werd zu Spott.
Die Hoffnung gib daneben,
voraus, wenn ich muss hier davon,
dass ich nicht mög vertrauen
und nicht bauen
auf all mein eigen Tun,
sonst wird‘s mich ewig reuen.

Achte auf die vorletzte Zeile: "auf all mein eigen Tun". Darauf solltst Du nicht vertrauen! Das ist typisch lutherisch. Das war Luther's große Entdeckung. Im Jahre 1545 schreibt Luther im Rückblick auf seine Psalmenvorlesung von 1519 ein paar Sätze zu seiner Entdeckung der „Gerechtigkeit Gottes“. Lesen wir zuerst, wie es ihm vor der Entdeckung ging:

"Ich war von einer wundersamen Leidenschaft gepackt worden, Paulus in seinem Römerbrief kennenzulernen, aber bis dahin hatte mir nicht die Kälte meines Herzens, sondern ein einziges Wort im Wege gestanden, das im ersten Kapitel steht: ››Die Gerechtigkeit Gottes wird im Evangelium offenbart‹‹ (Römer 1,17). Ich hatte nämlich dieses Wort ››Gerechtigkeit Gottes‹‹ zu hassen gelernt."

Christus als Richter

Kupferstich: Christus als Richter beim Jüngsten Gericht, wenn die Toten mit dem Schall der Posaunen aus den Gräbern gerufen werden.

Luther's Widerwille gegen die "Gerechtigkeit Gottes" war geprägt von Bildern, in denen Gott als Richter gezeigt wurde . Das Jüngste Gericht war für die Menschen des Mittelalters eine dramatische und auch Angst einflößende Vorstellung. Da fällt die Entscheidung, ob Dein Leben gut war oder nicht. Da bekommst Du Dein Urteil: Himmel oder Hölle.

Aufgaben:

Mit welchen Gleichnissen vom Weltgericht erklärt Jesus, was wichtig sei im Leben?
Lies dazu Matthäus 25, 31-46!

Matthäus 25, 31-46

Vom Weltgericht
31 Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sich setzen auf den Thron seiner Herrlichkeit, 32 und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, 33 und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken. 34 Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! 35 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. 36 Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen. 37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? 38 Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? 39 Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? 40 Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. 41 Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! 42 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. 43 Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht. 44 Dann werden auch sie antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? 45 Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. 46 Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.
Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Für wen ergreift Jesus Partei? Wen will Jesus schützen?

Luther hatte die Gerechtigkeit Gottes so verstanden, dass sie die Eigenschaft Gottes sei, "nach der er Sünder und Ungerechte straft." Er hatte die Gerechtigkeit zur strengen Seite Gottes gezählt, zum Zorn Gottes. Luther weiter:

"… ich hasste diesen gerechten Gott, der Sünder straft. Wenn nicht mit ausgesprochener Blasphemie, so doch gewiss mit einem ungeheuren Murren war ich empört gegen Gott und sagte: ››Soll es noch nicht genug sein, dass die elenden Sünder, die ewig durch die Erbsünde Verlorenen, durch den Dekalog* mit allerhand Unheil bedrückt sind? Muss denn Gott durch das Evangelium den Schmerzen noch Schmerzen hinzufügen und uns durch das Evangelium zusätzlich seine Gerechtigkeit und seinen Zorn androhen?‹‹ So raste ich in meinem wütenden, durch und durch verwirrten Gewissen"

*Erklärung: Dekalog = die zehn Gebote

Erinnert Euch an Luther‘s Probleme als Mönch, an sein dauernd schlechtes Gewissen, an seine Selbstzweifel. Erinnert Euch wie sein Seelsorger Staupitz versuchte, ihn davon zu befreien. Was dann für Luther wirklich Befreiung brachte, war ein neues Verständnis von der Gerechtigkeit Gottes. Gott stellt nicht Forderungen an uns, dass wir gerecht sein müssen, und wenn wir es nicht sind droht Gottes Strafe. Sondern Gott bietet uns seine Gerechtigkeit an, als ein Geschenk, als eine Gnade. Nicht wir müssen durch unsere Taten gerecht sein, nicht wir müssen uns gerechtmachen (als ob wir das könnten), sondern Gott nimmt uns hinein in eine Gerechtigkeit, die nicht von uns kommt. Gott schenkt uns seine Gerechtigkeit. Gott erscheint nicht in der Rolle des Richters, sondern übernimmt die Rolle unseres Verteidigers. Nicht wir müssen uns rechtfertigen, sondern Gott rechtfertigt uns. Gerechtigkeit gehört zur gnädigen Seite Gottes, zu seiner Barmherzigkeit. Diese Entdeckung beschreibt Luther so:

"Endlich achtete ich in Tag und Nacht währendem Nachsinnen durch Gottes Erbarmen auf die Verbindung der Worte, nämlich -. ››Die Gerechtigkeit Gottes wird in ihm offenbart, wie geschrieben steht [beim Propheten Habakuk 1,4], ‚Der Gerechte lebt aus dem Glauben‘. ›› Da habe ich angefangen, die Gerechtigkeit Gottes so zu begreifen, dass der Gerechte durch sie als durch Gottes Geschenk lebt, nämlich aus Glauben; ich begriff, dass dies der Sinn ist: offenbart wird durch das Evangelium die Gerechtigkeit Gottes, nämlich die passive, durch die uns Gott, der Barmherzige, durch den Glauben rechtfertigt, wie geschrieben steht: ››Der Gerechte lebt aus dem Glauben‹‹. Nun fühlte ich mich ganz und gar neugeboren und durch offene Pforten in das Paradies selbst eingetreten."

Aufgabe: Diese Entdeckung hat Luther verändert. Stelle diese Veränderung dar durch zwei Standbilder. Dein Körper ist das bildhauerische Material und Du selbst bist bildhauerisch tätig. Suche Dir aus dem folgenden Lied zwei Strophen aus, eine in der Luther's altes Leben ausgedrückt ist, und eine für sein neues Leben. Finde zwei entsprechende Körperhaltungen und beschreibe das jeweilige Lebensgefühl!

1. Nun freut euch, liebe Christen g'mein,
Und lasst uns fröhlich springen,
Dass wir getrost und all' in ein
Mit Lust und Liebe singen,
Was Gott an uns gewendet hat,
Und seine süße Wundertat;
Gar teu'r hat er's erworben.

2. Dem Teufel ich gefangen lag,
im Tod war ich verloren.
Mein' Sünd' mich quälte Nacht und Tag,
darin ich war geboren.
Ich fiel auch immer tiefer drein.
Es war kein Gut's am Leben mein.
Die Sünd' hatt' mich besessen.

3. Mein' gute Werk', die galten nicht.
Es war mit ihn'n verdorben.
Der frei' Will' hasste Gott's Gericht.
Er war zum Gut'n erstorben.
Die Angst mich zu verzweifeln trieb,
dass nichts denn Sterben bei mir blieb,
zur Hölle musst ich sinken.

4. Da jammert' Gott in Ewigkeit.
Mein Elend übermaßen.
Er dacht an sein Barmherzigkeit,
er wollt mir helfen lassen.
Er wandt zu mir das Vaterherz,
es war bei ihm fürwahr kein Scherz.
Er ließ's sein Bestes kosten.

5. Er sprach zu seinem lieben Sohn:
Die Zeit ist hier zu Erbarmen.
Fahr hin, mein's Herzens werte Kron',
Und sei das Heil dem Armen
Und hilf ihm aus der Sündennot,
erwürg' für ihn den bittern Tod
und lass ihn mit dir leben!

7. Er sprach zu mir: Halt dich an mich.
Es soll dir jetzt gelingen.
Ich geb' mich selber ganz für dich,
da will ich für dich ringen.
Denn ich bin dein, und du bist mein
und wo ich bleib', da sollst du sein.
Uns soll der Feind nicht scheiden.



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