Der kleine Hilfs- und Schutz-Gott aus Ägypten entwicklet sich zur wohl populärsten Gestalt von Afghanistan bis nach Ibiza / Teil 11 / Dieser Artikel wurde veröffentlicht am 08.Jan.2021
Bild: Eine der monumentalen Statuen von Bes im Tempel der Hathor/Mut am Dschebel Barkal
Süd und Nord » Ost und West » Bei Griechen und Römern » Bei den Persern » Was ist der Witz an Bes für die Perser? » Dem Bes ist es eine Ehre, den Pharaonen weniger » Josua Ben-Nun und das Orakel von Jericho
Außerhalb Ägyptens verändern sich die Bilder von Bes.
Schon die Statuen des Bes weit im Süden, in Nubien/Sudan weichen durch ihre pure Größe ab von der ägyptischen Bes-Tradition.
Um 680 v.Chr., unter dem nubischen König Taharqa, wird Bes monumental.
Die Darstellungsweise im Tempel vom Dschebel Barkal
würde sonst noch ins Sklavenbild passen,
aber die Größe der Statuen zeigt doch einen gehörigen Respekt vor dem
einst kleinen Bes.
Taharqa der Herrscher aus Kusch und Erbauer des Mut-Tempels am Dschebel Barkal,
war sehr darauf bedacht, den Anschluss an das ägyptische Erbe zu wahren,
nur in der Einschätzung des Bes,
hält Taharqa andere Maßstäbe für angemessen.
Was bewegt den nubischen König zu dieser neuen Sicht der Dinge?
Trotz des ansonsten konservativ-ägyptischen
Bildprogramms ist dieser Bes jetzt nicht mehr der von den kleinen Amuletten.
Er hat ein neues Format bekommen.
Weitere Besonderheiten der Bes-Darstellung in Napata finden sich bei:
Simone Petacchi, Some local aspects of the cult of Bes in the Napatan Kingdom
online-version,
Sudanarchäologische Gesellschaft zu Berlin.
Auch die Orthostaten im neo-hethitischen Karatepe, weit nördlich von Ägypten und außerhalb seines Zugriffs, bezeugen dieses neue Format. Bes muss ernst genommen werden, sagen diese Kunstwerke in Stein gemeiselt.
Bild: Bes als Sphinx, achtfach, auf einer persischen Silberschale, achämenidisch, 6. bis 4. Jhh. v.Chr, British Museum, Foto von Osama Shukir Muhammed Amin FRCP (Glasg), cc-by-sa
Der kleine ägyptisch Gott Bes macht im Ausland Karriere. Die Bilder des Bes finden sich im Goldschatz von Oxus weit im Osten, im heutigen Afghanistan, damals zum persischen Reich gehörig. Und Bes zeigt sich ganz im Westen auf den antiken Münzen der Insel Ibiza. Vielleicht hat die Insel sogar ihren Namen von diesem ägyptischen Kleingott.
Für den Export des Gottes nach Westen sorgten wohl die Phönizier, die ihn in all ihre Handelsniederlassungen rund ums Mittelmeer mitbrachten. Kennengelernt hatten sie ihn nicht nur in ägyptischer Kunst und Handelsware, sondern auch aus ihrer kulturellen Nachbarschaft mit Israel. Welche seiner Eigenschaften macht den Bes zum Exportschlager?
Nach Osten waren es die Perser, die ihn in ihrem ganzen Reich zu Ehren brachten. Woher kam das Wohlwollen der Achämeniden für den Bes? In allen Kulturen, die irgendwie mit Israel in Berührung kamen, gibt es Darstellungen von Bes in unterschiedlichsten Variationen. Was war so faszinierend an diesem seltsamen Auswanderer aus dem Land der Pharaonen? Und was hatten alle antiken Großreiche gemeinsam als Empfangsbereitschaft für den Bes? Was ist der Schlüssel zu seiner Populariät?
Bild:
auf der linken Seite: Bes als alter und wohl auch lächerlicher Krieger, römisch 2.Jhh. v.Chr.,
Landesmuseum Stuttgart, Foto Rudolf Simon, ccbysa,
auf der rechten Seite (sitzend): Ein Sklave als Dieb, der seine Beute zählt,
griechische Darstellung aus Bo-otia, ca.400-375 v.Chr., Foto Jastrow.
Bei den Griechen und Römern sind es die sklavenartigen Szenen des Bes, die Verwendung finden und sie werden weiter ins Witzige gezogen. "Bes als Krieger" (linke Statuette) ist eine Version des Kammerjägers. Witze können eine Form des Widerstandes sein oder ein Kompromiss zwischen der Unerwünschtheit einer Gestalt bei den Kulturbeherrschenden und dem Wunsch nach Darstellung dieser Gestalt bei den Beherrschten. Wenn über den Bes gelacht werden kann, darf er abgebildet werden. Vielleicht ist die Erinnerung an den Schlangenbeseitiger aber auch verloren gegangen auf dem langen Weg des Bes durch die Geschichte bei den Griechen und Römern. Der Unterschied zwischen einem ägyptischen Küchenmesser und einem römischen Schwert ist vielleicht nicht auf Anhieb erkennbar. Bes als alter Haudegen könnte manchem ausgeschiedenen Legionär gefallen haben, aber selbst in diesen quasi militärischen Bildern ist noch etwas spürbar vom alten Sklavenbild. Zum Vergleich wurde hier die Darstellung eines Sklaven als Dieb aus Bo-otia (rechte Statuette) daneben gestellt. Bei beiden Kunstwerken meine ich eine Ähnlichkeit und eine abwertende Haltung des Kunstwerkes gegen den dargestellten Menschen zu spüren. Oder sind es nur die Gesichtsfalten, durch die die beiden missmutigen Gartenzwerge einander ähnlich werden? Sklaven werden untenrum nackt dargestellt. War das nicht schon genauso in Ägypten?
Bild: achämenidisches Rollsiegel, Bes wird geehrt, British Museum 23387001, CC-BY-NC-SA 4.0
Bei den Völkern des Persereiches waren es viele kleine Amulette im alten Stil,
aber eben auch Bes als Löwenbändiger und in vielen neuen Rollen, wie zum Beispiel auf dem abgebildeten Rollsiegel.
Näheres dazu dokumentiert Kamyar Abdi in
"Bes in the Achaemenid Empire" .
Natürlich würden Esra, Nehemia und Mordechai ganz anders aussehen, wenn man sie denn als historisch denken wollte. Wahrscheinlich ist es sowieso ungehörig, diese biblischen Gestalten zu assoziieren mit dem Anblick des freudestrahlenden kleinen Bes auf dem persischen Rollsiegel. Aber es fällt auf, dass Bes im Reich der Achämeniden nicht nur billig und volksnah daherkommt, sondern auch bei den oberen Schichten Wohlwollen findet. Lea Rees sprach in einem Vortrag von der Integration des Bes in die achaemenidische Ikonographie. Was sind das für Sympathien, die sich dem Bes zuwenden?
Bild: Bes bändigt Capriden, achämenidischer Gold-Ohrring, 6. bis 4. Jhh. v.Chr., Louvre AO3171, Foto Marie-Lan Nguyen, cc0, laut Louvre stammt das Schmuckstück aus Syrien, laut Kamyar Abdi aus Susa, Grab Nr. Sb 2764, er bezieht sich dabei auf Ghirshman 1962 pI. 323. Sprechen die Gänse dafür, dass auch im ersten Siegel Gänse gemeint sein könnten? Gehören Gänse zu Amun oder zu Chons oder zu Geb oder zu Seth? Und würden sie bei Letzterem Bes als Seth, als Feind Ägyptens kennzeichnen? Oder waren es nicht die Ahmosiden, die Iah-Verehrer, die hölzerne Wasservögel in ihren Gräbern hatten?
Welche persische oder syrische Prinzessin mag diesen Ohrring getragen haben? Und welchen neckischen Gefallen hat sie daran gefunden? Gibt es im großen persischen Reich keine einheimischen Schutzgeister, dass sie unbedingt den kleinen Dicken aus Ägypten brauchen? Könnte es sein, dass bei den Künstler*innen und ihren Auftraggeber*innen vielleicht andere Gefühle als bloße Bewunderung für das stolze Reich am Nil im Spiel waren? Bes ist ja nicht unbedingt die Schönheit, an der sich primär die Begeisterung für ägyptische Kunst entzünden würde. Viel eher eignet er sich als Karikatur und für Provokationen. Welchen Spass hatten die Kunstschaffenden und Kunstkaufenden anderer Länder an Bes? Die Großreiche schon der Hethiter und dann der Perser standen in Konkurrenz, oft sogar im Krieg mit Ägypten. Könnte es sein, dass der ägyptische Gott Bes eine wundervolle Gelegenheit bot, die Ägypter auf die Schippe zu nehmen? Dann dürfte es aber nicht die Rolle eines apotropäischen Schutzgeistes sein, auch nicht die eines Sklaven im Götterpantheon, die zu solchen Darstellungen Anlass gibt. Dass die Konkurrenz-Reiche ebenfalls Sklaven halten, ist im Altertum kein Grund sie zu kritisieren. Sklaven zu haben, war damals noch keine Schande. Das war nichts, worüber man sich hätte lustig machen können. Die Sklaven des Gegners als ehrwürdige Gottheit darzustellen, ist auch nicht die naheliegendste Idee, wenn man die anderen ärgern möchte. Welche Ereignisse, welche Erzählungen über Bes könnten ihn den ägyptischen Herrschaften zum Ärgernis und den konkurrierenden Reichen zur Schadenfreude gereichen lassen?
Ägyptische Götter außerhalb Ägyptens belegen nicht automatisch den Ruhm des Pharaonen-Landes. Besonders wenn es sich um den niedrigsten der Götter vom Nil handelt. Er könnte die Sympathien vielmehr dafür bekommen, dass er seinen Herren Probleme bereitet hat. Entlaufene Sklaven, vor allem wenn sie damit nachhaltig Erfolg hatten, konnten sehr wohl ein Grund sein für den Spott gegen ihre Ex-Herren im prestigesüchtigen diplomatischen Dialog. Wird diese Idee einmal aufgenommen, geraten viele international verbreitete Bes-Darstellungen, besonders die achämenidischen, in den Verdacht, dass sie die Schadenfreude gegen die Pharaonen zum Ausdruck bringen. Der Lustgewinn der Nichtägypter an Bes würde dann darin liegen, dass der Bes die Pharaonen blamiert hat. Bes fungiert auch hier als Chiffre für Israel, für seine Religion und für den Exodus.
Mit den Durchgängen zu JHWH ( 2 , 3 , 4 ) und zu Bes ( 5 , 6 , 7 , 8 , 9 , 10 , 11 ) ist die von mir behauptete Entscheidung des Josua Ben-Nun, das heidnische Orakel in Jericho befragen zu lassen, noch lange nicht erklärlich, aber wir haben hoffentlich ein bisschen Hintergrund für seine Verständlichkeit gewonnen.
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