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Küstermann



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Zahl 10 vor blauem Kreis Zeichnung von seltsamen Gestalten auf Tonscherben

Seltsame Gestalten gezeichnet auf Tonscherben von Kuntillet Ajrud.
Diese archäologischen Ausgrabungsstücke haben großen Wirbel gemacht um die Frage: War Israel in der Königszeit monotheistisch? Die beiden Gestalten in der Mitte gehören zum Typus der ägyptischen Bes-Gottheit. Die Tiersymbolik gehört zur kanaanäischen Fruchtbarkeitsgöttin Aschera. Die Inschrift (am oberen Rand) in althebräischen Buchstaben sagt:
Es spricht '... ...: Sprich zu Jehalle..., und zu Jo'asa und ...: Ich segne euch beim JHWH von Samaria und seiner Aschera.

Epochen der Geschichte Israels

Aufgabe: Erfinde zwei jüdische Autor*innen, die in zwei verschiedenen Epochen schriftstellerisch tätig sind. Was könnte in ihren Texten vorkommen? Gestalte kontrastreich ihre vermutlichen Auffassungen von Gott und Geschichte, ihre Weltbilder und Lebensgefühle, ihre Freuden und Sorgen, ihre Hoffnungsträger und Gegner.

1. Exodus

Wie und wann genau der Exodus, also der Auszug aus Ägypten, stattgefunden hat, ist historisch umstritten. Auch in welchem Umfang Sklaven unter der Führung des Mose aufgebrochen sind in die Freiheit wird sehr kontrovers diskutiert. Aber Israel feiert Passah schon lange in den Jahrhunderten vor Christi Geburt. Egal welche anderen Motive in das Fest eingeflossen sein mögen, ist doch das Motiv "Auszug aus der Sklaverei" immer deutlich vertreten. Damit ist die Existenz Israel's ein Skandal in der ganzen antiken Welt. Flucht von Sklaven galt in allen Großreichen als schweres Verbrechen und wurde hart bestraft. Dieses Volk aber besteht aus entlaufenen Sklaven und feiert dies auch noch als große Tat ihres Gottes. Das stellt jede antike Gesellschaftsordnung (=Weltordnung) in frage. In diesem skandalösen Ursprung liegt die Besonderheit des Judentums und die Dynamik der weiteren Religionsentwicklung. Die Freiheit beruht auch auf ritueller Abgrenzung (das Passa-Lamm) von der ägyptischen Weltordnung (also nicht nur politisch oder anthropologisch). Die Exodus-Erzählung ist ein gesellschaftsbegründener Mythos, aber eben als geschichtliche Geschichte, nicht mehr als Götter-Geschichte, wie andere Mythen es waren. Und das Passahfest ist das Ritual zu dieser Geschichte.

2. Vorstaatliche Zeit (Zeit der Richter)

Die Stämme Israels existieren im Land Israel zunächst ohne Staatsstruktur. Königtum wird zumindest von den späteren Jahwe-Propheten kritisch gesehen. Jahwe selbst sei der König Israels, ihm gehört das Land und das Volk, nicht einem versklavenden menschlich-halbgöttlichen König. Galt diese königskritische Sichtweise schon in so früher Zeit oder entstand sie erst Jahrhunderte später, im Rückblick auf die Königszeit?

3. Königreich (ca. 1000 v.Chr.)

Unter dem Druck der Philister wechselt Israel in eine staatliche Organisationsform, nämlich ins Königtum von David und Salomo (davor mit kurzfristigen Versuchen durch Saul und Abimelech). Wie groß und wie mächtig dieses Reich war, oder wie klein und unbedeutend, ist historisch umstritten, aber Könige „vom Hause Davids“ werden als Gegner, als Besiegte, als Tributzahler an die Assyrer im 8.Jahrhundert in außerbiblischen Quellen erwähnt. Als neuen Regierungssitz hatte sich David die damalige Jebusiterstadt Jerusalem erobert, die auf der Grenze zwischen den Gebieten der Nord- und der Südstämme Israels liegt.

4. Geteilte Reiche

Das David-Reich fiel schon unter seinem Enkel auseinander in das Nordreich Israel (Hauptstadt Samaria) und das Südreich Juda (Hauptstadt Jerusalem). Der König des Nordreiches hatte nun das Problem, dass der Tempel in Jerusalem auch für seine Nordstämme ein religiöses Pilgerziel darstellte. Der König des Südreiches hat das Problem, dass seine Hauptstadt dicht an der Grenze zum Ausland (Nordreich) lag. Die beiden konkurrierenden Reiche führten in der Folgezeit manchmal Krieg gegeneinander. Das Königtum beider Teilreiche scheint sich sehr ähnlich zu den kanaanitischen Kleinstaaten verhalten zu haben. Der König wird legitimiert durch den Kult. Tempel und Palast stehen nebeneinander. Aber mit dem Unterschied, dass es in Juda und Israel immer wieder eine kritische Gegenöffentlichkeit in Gestalt der Jahwe-Propheten gibt.

5. Verlust der staatlichen Selbständigkeit und des Tempels

Nordisrael (Samaria) wird schon 720 v.Chr. von den Assyrern erobert, das Südreich (Jerusalem) später von den Babyloniern (586 v.Chr.). Die kulturtragende Oberschicht wird abtransportiert. Die im Lande verbleibenden Bauern werden unter die Herrschaft von Statthaltern gestellt. Wären Juda und Israel nur normale, vorderasiatische Kultreligionen und Kleinstaaten gewesen, hätten sie sich in der Kultur der Großreiche aufgelöst, wie das bei den anderen Eroberten geschah. Die Götter der Sieger waren offensichtlich stärker, so war die "normale" Reaktion der Unterworfenen. Sie folgten der Logik ihrer Erfolgsreligonen. Die Besiegten passen sich an. Von den meisten eroberten Ländern und Städten wissen wir nur archäologisch, welche Religionen sie hatten. Ganz anders wirkt sich die Unterwerfung Jerusalems aus. Unter den exilierten Judäern in Babylonien steigt die literarische Produktivität. Der Verlust Jerusalems samt Tempel war der Startschuss für die Umwandlungsprozesse von der Kultreligion zur Buchreligion. Nicht weil die Götter der anderen stärker waren, sondern weil unser Gott uns bestraft für die Nichteinhaltung seiner Gebote, wurden wir besiegt. Dieses andere Interpretationsmuster der Niederlage führt zu anderen Konsequenzen als der Anpassung. Der Stärkere (Babylon und seine Götter) hat nicht automatisch recht, sondern wir müssen unserem Gott besser folgen. Anstatt die Götter der Sieger anzuhimmeln, setzen sich die Juden verstärkt mit ihrem eigenen Gott auseinander. Wahrscheinlich wirkt so das babylonische Exil antreibend auf die Entwicklung des Monotheismus. Für diese andersartige Reaktion aber muss es Ursachen in der vorexilischen Entwicklung gegeben haben. War erst die Kritik der Propheten im 8. vorchristlichen Jahrhundert der Keim für die Entwicklung zur Buchreligion? Oder gab es ältere Ansätze zur Identitätsbildung außerhalb von Kult und Königtum? Welche heiligen Bücher gab es schon vor dem Exil oder sogar schon vor der Königszeit?

6. Wiederaufbau des Tempels im persischen Reich (520 v.Chr.)

Die Perser erobern Babylon. Die persischen Kaiser Kyros II., Kambyses, Darius erlauben den Juden die Rückkehr nach Jerusalem und den Wiederaufbau des Tempels. Danach auch Wiederaufbau der Stadtmauern. Die persische Staatsreligion nach Zarathustra folgte einem ziemlich fortgeschrittenen Konzept (monotheistisch und dualistisch, Heerscharen des Lichts gegen Heerscharen der Finsternis, das Schachspiel als Weltbild, nicht Abstammung sondern Moral ist entscheidend). Das hat Berührungspunkte mit dem Judentum. Die Perser setzen dann auch eine Garnison jüdischer Truppen auf der Flussinsel Elephantine im Nil als Grenzposten in Ägypten ein, die dort einen Jahwe-Tempel bauen. Die Förderung durch die Perser bewirkt auch einen starken Einfluss der persischen Religion auf das Judentum.

7. Die Makkabäer gegen die Hellenisierung

Das Perserreich wird von Alexander dem Großen erobert (333 bis 301 v.Chr.) und nach seinem Tod unter seine Generäle verteilt. Eine Nachfolge-Dynastie, die Seleukiden, versucht durch kulturelle und religiöse Vereinheitlichung in ihrem Reich einen besseren Zusammenhalt der sehr gemischten Bevölkerung herzustellen. Das scheitert an den Juden, die kein Jupiterstandbild in ihrem Tempel haben oder gar beopfern wollen. Judas Makkabäus aus der Priesterfamilie der Hasmonäer erkämpft zunächst Jerusalem (Tempelweihe 164 v.Chr.) und auch die Unabhängigkeit. Juda existiert wieder als eigenständiger Staat: Das Hasmonäer-Reich (seit 141 v.Chr.) hat König- und Priesterrolle in einer Hand vereint. In dieser Zeit sind die Pharisäer als Frömmigkeits-Strömung unter diesem Namen greifbar, ebenso die Sadduzäer. Das Hasmonäer-Reich besteht bis zur Eroberung durch die Römer (Pompeius 64 v.Chr.).

8. Israel in der Römerzeit

Herodes der Große (40 v.Chr. bis 4 v.Chr.) ist ein von Rom eingesetzter und von Rom abhängiger Klientelkönig. Er gestaltet den Tempel in Jerusalem um. Weitere Kleinkönige treten in seine Nachfolge. Der Hohe Rat aus Priestern und Schriftgelehrten hat in Jerusalem gewisse, von den Römern zugestandene Selbstverwaltungsrechte. Dies ist die Zeit Jesu mit den religiösen Strömungen von Pharisäern, Sadduzäern, Zeloten und Essenern.

9. Großer jüdischer Aufstand

Etwa 66 nach Christus beginnt der große jüdische Aufstand gegen die Römer. Im Jahr 70 n.Chr. erfolgt die Belagerung und Eroberung Jerusalems. Den Römern wurde das Holz knapp für die zigtausend Kreuzigungen, mit denen sie die aufständischen Juden brutal bestraften. 73 n.Chr. wird der letzte Widerstandsort, die Festung Masada erobert. Alle jüdischen Gruppen hatten sich am Aufstand beteiligt, nur die Anhängerschaft des Rabbi Jesus von Nazareth war schon zu internationalisiert. Die Christen werden aus dem Synagogen-Verband ausgeschlossen.

10. Bar-Kochba Aufstand

132 bis 135 versuchen die Juden in einem weiteren Aufstand von Rom wegzukommen, werden aber wieder besiegt. Jerusalem wird umbenannt in Aelia Capitolina. Die Provinz Judäa heißt fortan Palästina. Überlebende Juden werden über das ganze römische Reich verstreut.

Es folgt die Kultur-Geschichte des rabinischen Judentums in der Diaspora, mit vielen Leidensphasen bis hin zur Shoa. 1948 wird der neue Staat Israel gegründet.